Hosen runter: Roman (German Edition)
Enttäuschung anmerken zu lassen. Sie sah mich an, als befürchtete sie, dass ich ihr einen Heiratsantrag machen würde. »Also, Frau Gassner, wie heißen Sie mit Vornamen?«, fragte ich mit gespielter Neugierde.
Sie lächelte wieder. »Nathalie.«
Ich tat freudig überrascht. »Ein schöner Name. Passt nur irgendwie nicht zu Ihrem Beruf«, rutschte mir raus.
»Wie meinen Sie das?«, hakte sie natürlich sofort nach.
Oh, shit! Ich war mitten in das Fettnäpfchen mit den Vorurteilen über Therapeutinnen getrampelt. »NathalieGassner klingt so angenehm«, versuchte ich, mich aus der Affäre zu ziehen. »Ich dachte, Psychiaterinnen heißen eher Wilhelmine oder Friederike. Und tragen dazu einen dieser einschüchternden Doppelnamen.«
Sie musterte mich streng. »Ich bin keine Psychiaterin, sondern Psychotherapeutin, falls Ihnen entgangen sein sollte, dass es hier einen Unterschied gibt. Und ich frage mich, woher diese Voreingenommenheit gegenüber meinen Kolleginnen rührt?«
Achtung, Achtung! Höchste Alarmstufe, hier galt es, jedes Komma auf die Goldwaage zu legen und sich sämtliche Bemerkungen vorher genau zu überlegen.
»Meine Voreingenommenheit kommt von den Messingschildern an den Arztpraxen«, erklärte ich ihr. »In die von Ihren Kolleginnen sind häufig Namen eingraviert, die eher nach Gefängniswärterinnen klingen.«
Sie musste schlucken. Demonstrativ setzte sie sich auf einen einzelnen Sessel und bot mir den Platz auf dem Sofa an. Zwei Meter von ihr entfernt. »Das klingt so, als würde Ihnen ein bestimmter Frauentyp gehörigen Respekt einjagen.« Sie zündete sich eine Zigarette an und grinste fast ein bisschen. »Oder könnte es sogar sein, dass Sie unter einer Art Trauma leiden, vielleicht einem Mutterkomplex?«
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mich nicht ernst nahm. Auf jeden Fall verlief dieses Date ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. »Ja«, sagte ich, »meine Traumfrau kann man in einem Wort beschreiben: Mami.« Ich schnitt eine Grimasse.
Sie nahm einen Zug von ihrer Zigarette und blies denRauch in meine Richtung. »Interessant. Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Ihrer Mutter?«
»Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich mich hinlege, Frau Gassner?«, fragte ich.
Sie bedeutete mir mit einer Geste, mich auf ihrem Ledersofa auszustrecken. Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf, glotzte die Decke an und überlegte, was zum Teufel es sie anging, ob ich meiner Mutter immer noch auf dem Schoß hockte. »Wir telefonieren zweimal die Woche. Einmal im Monat sehen wir uns. Wir stehen uns nahe«, antwortete ich ehrlich. »Aber ich käme nicht auf die Idee, ihr zu Weihnachten Dessous zu schenken.«
Nathalie brach in ein herzhaftes Lachen aus. »Sorry, habe mir das gerade bildlich vorgestellt.« Sie räusperte sich und hustete. »Ein Thirtysomething, der seiner Mutter Reizwäsche schenkt, den müsste ich eindeutig als ödipal einstufen.«
Ich lächelte sie an. »Schön, dass wir das geklärt hätten.«
Nathalie nickte und sah auf ihre Uhr, als würde ich in der Therapiegruppe sitzen, was mich darauf brachte, dass es höchste Zeit war, den Wein zu öffnen. »Wie wäre es mit einem Glas Chardonnay?«, fragte ich.
Sie sah wieder auf ihre verdammte Uhr. Als würde sie auf etwas warten. Bloß worauf, fragte ich mich, während sie uns in der Küche zwei Gläser einschenkte. Wir stießen im Stehen an und sahen uns verlegen in die Augen. Sie schien auch unsicher, was das hier werden sollte – ein Date? Ein Unfall? Eine Schnapsidee?
Dann klingelte es an der Tür. Nathalie entschuldigte sich und ging in den Flur. Ich wettete mit mir, dass jetzt die anderen antanzten: Ralph, der Mäuserich, der Immobilienmakler, der Bankkaufmann. Stattdessen kam sie mit zwei Frauen zurück, die nicht den Eindruck machten, als wären sie überrascht, mich hier anzutreffen.
»Das ist er also«, sagte eine der beiden, eine Brillenträgerin, streng, als wäre es gesetzlich verboten, auf hübsche Frauen in sexy Unterwäsche zu stehen.
»Hatte ihn mir ganz anders vorgestellt«, meinte die andere, eine Frau mit Locken, enttäuscht, als hätte ich den Ruf, es in einer Nacht fünfmal am Stück zu können.
»Tom, das ist Monika. Und das Stefanie«, machte mich Nathalie mit den zwei Schnepfen bekannt.
»Kommen da noch mehr?«, wollte ich von ihr wissen.
»Nein«, antwortete sie knapp.
»Oh, ihr habt ja schon ein Weinchen aufgemacht«, juchzte Monika aufgeregt. »Krieg ich auch ein Gläschen?«
Wo war ich
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