Hosen runter: Roman (German Edition)
Partnerwahl ganz von Ihrem Intellekt zu verabschieden und allein Ihrem Triebverhalten zu vertrauen? Ist das nicht eher ein archaisches Verhaltensmuster?«, fragte Nathalie und hielt ihren Kugelschreiber bereit, um meine Antwort zu protokollieren.
Ich nahm an, sie meinte, warum ich einem Körperteil diese Entscheidungsbefugnisse übertrug? Ich hätte mir am liebsten wie King Kong mit den Fäusten auf den Brustkorb getrommelt, aber ihr war wohl an einer seriösen Erforschung der männlichen Psyche gelegen. Und es war schmeichelhaft, dass sie mich dazu erkoren hatte, Licht ins Dunkel der Evolution zu bringen.
»Ich glaube, dass Männer und Frauen sich da durchaus ähnlich verhalten«, sagte ich in der Hoffnung, sie nicht zu enttäuschen. »Ein Teil unseres Gefühlslebens folgt noch denselben Gesetzen wie in der Steinzeit. Vor allem, wenn es um Sex geht. Das läuft bei uns immer noch so wie vor Millionen von Jahren: Da meldet sich beim Mann sein Schwanz und bei der Frau ihre Pussy.«
Nathalie war verblüfft, so verblüfft, dass sie mich aus Versehen duzte. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, glaubst du, dass Frauen ihre Entscheidungen mit ihrer Pussy treffen?«
Instinktiv machte ich eine unschuldige Geste, wie italienische Profifußballer nach einem besonders heimtückischen Foul. »Worauf sollten Männer und Frauen hören, wenn nicht auf ihre ureigenen Bedürfnisse?«, fragte ich in die Gruppe, um etwas Zeit zu gewinnen.
Der Mäuserich nagte mit gesegnetem Appetit die Haut von seinen Fingern und antwortete mit vollem Mund. »Tom hat recht: Frauen wollen auch nur gevögelt werden.«
Ganz so schlicht hätte ich es nicht formuliert, aber in der Sache gab ich ihm recht.
Ralph zog ein Gesicht wie bei einer Harnröhrenspiegelung ohne Narkose. »Woher willst ausgerechnet du das denn wissen?«, fragte er Thilo.
Der Mäuserich war irritiert, dass jemand bezweifelte, was für ihn eine der zentralen Erfahrungen seines Lebens war – dass Frauen es einfach nur wollten.
»Ich denke auch, dass Männer und Frauen gut beraten sind, sich auf die Signale ihrer Geschlechtsorgane zu verlassen«, antwortete Chris im Zeitlupentempo. Der Joint schien erst jetzt seine volle Wirkung bei ihm zu entfalten.
»Wie wäre es denn mit etwas abstrakteren Kriterien wie einem guten Charakter? Einer interessanten, einnehmenden Persönlichkeit oder jemandem mit überragender Intelligenz? Meinen Sie nicht, dass Sie Gefahr laufen, diese Dinge zu vernachlässigen, wenn Sie sich ganz auf Ihr sensuelles Urteil verlassen?«, fragte uns Nathalie mit unerschütterter Miene und strich sich dabei elegant eine Strähne aus dem Gesicht.
»Na klar, so was wird mit der Zeit relevant«, antwortete Chris. Er neigte nachdenklich den Kopf, und seine Frisur gab keinen Millimeter nach. Bei so viel Haarspray hätte sie auch einem Orkan getrotzt. »Aber am Anfang geht es eher um Äußerlichkeiten.«
»Es geht um große Schellen«, flüsterte mir der Mäuserich zu. Ich konnte mit dem Ausdruck nichts anfangen. Meinte er damit eine gefüllte Bluse? Ich sah ihn fragend an.
»Große Schellen bedeuten, dass sie es wollen«, enthüllte er mir leise eine Perle aus seinem Erfahrungsschatz. Thilo machte mit den Zeigefingern ausufernde Kreise neben seinem Kopf. »Na, ihre Ohrringe, verstehst du?«
Das meinte er mit Schellen. Da sollte einer drauf kommen. Ich zwinkerte ihm zu, damit er mich mit seinem Bullshit in Ruhe ließ, aber er war wirklich penetrant.
»Wenn Frauen kleine Stecker im Ohrläppchen tragen, kannst du dir die Mühe sparen, Dicker!«, erklärte er weiter. »Bei denen sind die Rollläden runter. Einbruchssicher. Aber Weiber mit Schellen wie Autoreifen, das ist eine klare Aufforderung an uns Männer – dass sie es ganz dringend brauchen.«
Das leuchtete mir nicht ein. Frauen, die sich mit der Zunge über die Lippen fuhren, vielleicht sogar an ihren Fingern lutschten und einen dabei nicht aus den Augen ließen, geschenkt, das waren eindeutige Zeichen. Aber große Ohrringe? Was sollte das signalisieren? Hätten mir Markus oder Ralph dasselbe erzählt, hätte ich nicht weiter darüber nachgedacht, aber bei Thilo merkte ich auf: Wenn sich jemand mit Ladenöffnungszeiten auskannte, dann der Mäuserich. Also ließ ich für einen Moment die Möglichkeit zu, dass er recht haben könnte. Während ich in meiner Vergangenheit nach Beweisenfür seine Theorie suchte, sprang mir plötzlich etwas ins Auge, das ich bis zu dieser Sekunde völlig ignoriert hatte:
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