Hosen runter: Roman (German Edition)
das Poster ehrfurchtsvoll wie einen Schatz aus dem Laden. Er hatte es eilig, nach Hause zu kommen.
Auch ich machte früher Feierabend und fuhr zu mir in die Wohnung, um vor dem Rendezvous mit Nathalie noch ein Bad nehmen zu können. In der warmen Wanne erholte ich mich von meinem Besucher. Mein Wochenpensum an verstörten Leuten war konkurrenzfähig mit jeder staatlichen Klapsmühle. Nach meinenErfahrungen gab es zwei Arten von Männern, die sich in einem Dessousladen verhaltensauffällig benahmen: Die Mehrheit war harmlos, sie wollten Frauenunterwäsche berühren und fummelten schlimmstenfalls an wehrlosen Slips herum. Diese verklemmten Typen entfernte ich auf dem kleinen Dienstweg aus dem Laden, indem ich ihnen sachlich mitteilte, sie seien unerwünscht. Oft war das den Betreffenden schon so peinlich, dass sie kommentarlos abzischten. Das Problem waren die von der anderen Fraktion, die Freaks. Gemeinhin waren es Höschenschnüffler, die wussten, dass viele der Teile anprobiert wurden und sich einen Kick davon erhofften, wenn sie sich Panties übers Gesicht legten. Deswegen ließ ich nur Frauen in die Umkleidekabinen. Ich hatte in all den Jahren immer wieder Unterwäschefetischisten dabei erwischt, wie sie gerade ihre Nasen im Stoff meiner Produkte vergruben und deren Geruch inhalierten wie ein Süchtiger, der Klebstoff schnüffelt. Angesichts solcher Patienten, die auf einen normalen Menschen wie mich täglich losgelassen wurden, brauchte sich meine flotte Therapeutin auf ihren Job nicht viel einzubilden.
Ich entschied mich für ein schlichtes graues Hemd, zu dem ich eine schmale schwarze Krawatte aussuchte, dazu einen eng geschnittenen schwarzen Anzug, dunkle Schuhe und ein dezentes Parfüm. Um nicht zu glattgebügelt zu wirken, rasierte ich mich nicht. Ein paar Bartstoppeln würden den richtigen Gegensatz zu meinem schicken Outfit bilden.
Auf dem Weg zu Nathalie ging ich in die Weinhandlungmeines Vertrauens und suchte einen guten Chardonnay aus. So wie ich sie einschätzte, würde sie Weißwein mögen. Ich ließ die Flasche in rustikales Papier einwickeln und war froh, etwas zu haben, an dem ich mich festhalten konnte, denn ich war ernsthaft aufgeregt. Eine Frau wie Nathalie war eine Herausforderung, und ich wollte es nicht versauen. Ich atmete tief durch, bevor ich die Klingel drückte.
Als sie öffnete, war ihr Anblick eine Überraschung – und nicht in einem positiven Sinn. Die Hauptdarstellerin des heutigen Abends lief privat rum wie ein Öko: ausgeleierte rote Baumwollhose, weite Batik-Tunika und dicke Wollsocken. Sie trug weder Make-up noch Ohrringe. Nicht, dass sie schlecht aussah, sie konnte offensichtlich tragen, was sie wollte, und war immer eine Schönheit. Was mich jedoch misstrauisch machte, war, dass sie völlig underdressed für ein Date war, zumindest für die Art von Verabredung, für die ich mich präpariert hatte. Nichts deutete darauf hin, dass sie mich anmachen wollte, kein scharfes Kleid mit tiefem Ausschnitt, keine Highheels oder wenigstens ein Killerlächeln. Ich wollte mich schon erkundigen, ob ich zwei Stunden zu früh sei. Dann begann ich mich zu fragen, ob eine Verabredung mit einem Typen wie mir für sie etwa nur eine kleine Nummer am Rande und mein Besuch nichts Besonderes für sie wäre, als wäre ich nur ein netter Nachbar, der auf eine Tasse Kaffee vorbeischaute. Ich kam mir total dämlich vor und kotzte innerlich, als sie mich hereinbat. Irgendetwas lief hier vollkommen schief.
Wir waren allein in der Wohnung, und eine Garnison roter Waldameisen kroch mir den Rücken herauf. Ich überreichte ihr die Flasche, bevor sie mir noch aus der Hand fiel. Nathalie wickelte sie erwartungsvoll aus.
»Oh, Chardonnay, wie nett. Ich trinke viel lieber Weißwein als Rotwein. Wie haben Sie das nur geahnt?«, lächelte sie mich an.
Eigentlich hätte ich mich über die gelungene Überraschung freuen sollen, aber ich nickte nur und hätte den Wein am liebsten in einem Zug heruntergestürzt, um meine Nerven zu beruhigen. Die Einrichtung ihrer Zweizimmerwohnung war in dieser Hinsicht auch keine Hilfe. Alles war extrem gestylt und eine Spur zu cool, um gemütlich zu wirken, das Sofa zu weiß, der Wohnzimmerschrank zu glatt und das Licht zu hell. In Kontrast zu den nüchternen Möbeln war eine Wand mit einer bewusst geschmacklosen Tapete aus den Siebzigern, bunt und bieder gleichzeitig, zugekleistert.
»Tja, jetzt ist der große Moment der Wahrheit gekommen«, sagte ich, ohne mir meine
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