Hostage - Entführt
Beifahrersitz. Ihm war klar, dass es klingeln würde. Der Rolex-Mann würde anrufen. Er hatte keine andere Wahl.
Und es klingelte.
Talley fuhr auf den Seitenstreifen. Er war irgendwo auf der Autobahn zwischen Canyon Country und Bristo. Hier gab es nur Felsen, die Straße und jede Menge Lastwagen, die vor Morgengrauen in Palmdale sein wollten. Talley brachte seinen Wagen schlingernd zum Stehen und nahm das Handy. Bevor er ein Wort sagen konnte, schrie der Rolex-Mann schon:
»Du hast es verbockt, du dummer Bulle! Und wie!«
Talley brüllte zurück und überschrie ihn.
»Nein, du hast es verbockt, du Arschloch! Denkst du, ich lass dich einfach jemanden umbringen?«
»Willst du sie schreien hören, ja? Soll ich deiner hübschen Tochter das Gesicht entstellen?«
Talley trommelte auf das Armaturenbrett ein, ohne die Schläge zu spüren.
»Ich hab dich, du Arschloch! Ich hab dich am Haken! Wenn du den beiden was tust, wenn du ihnen auch nur ein Haar krümmst, stürm ich das Haus sofort, schnapp mir die Disketten und seh nach, was drauf ist. Willst du, dass der Inhalt in der Zeitung steht, ja? Willst du, dass das echte FBI sie bekommt, ja? Willst du das wirklich, du widerlicher Drecksack? Und ich hab Smith! Vergiss das nicht! Ich hab Smith!«
Talleys Hände zitterten vor Wut. Er fühlte sich wie kurz nach einem SEK-Angriff mit Schusswechsel: so aufgeputscht, dass ihn nur der Anblick von Blut wieder auf den Teppich bringen konnte.
Der Rolex-Mann antwortete mit beherrschter Stimme:
»Ich schätze, wir haben beide etwas, das der andere haben will.«
Talley zwang sich zur Ruhe. Er hatte Zeit gewonnen.
»Denk dran! Vergiss das bloß nicht.«
»Klar. Ihr lasst Smith bewachen – na schön. Um den kümmern wir uns später. Im Moment wollen wir unser Eigentum zurück.«
»Wenn ihr ihnen auch nur ein Haar krümmt, lass ich euch hochgehen.«
»Das hatten wir schon, Talley. Du musst dafür sorgen, dass ich die Disketten kriege. Wenn nicht, werden wir den beiden nicht nur ein Haar krümmen.«
»Was jetzt also?«
»Meine Leute sind bereit. Du weißt, wen ich meine?«
»Das FBI.«
»Sechs Männer in zwei Transportern. Wenn irgendwas schiefgeht, wenn du nur eine Kleinigkeit anders machst, als ich's dir sage, bekommst du deine Familie per Post zurück.«
»Ich tue, was ich kann. Was soll ich machen?«
»Du wirst ihnen geben, was sie brauchen, und alles tun, was sie wollen. Denk dran, Talley – wenn ich die Disketten bekomme, bekommst du deine Familie.«
»Aber ihr könnt da doch kein Mordkommando hinschicken! Die ganze Gegend ist voller Polizei. Das sind Profis – die sind nicht bescheuert!«
»Ich auch nicht, Talley. Meine Leute wissen genau, was sie zu tun haben und was sie sagen müssen. Die werden sich professionell verhalten. Setz die Sheriffs rund ums Grundstück ein, aber halt ihr Angriffsteam raus. Mein Mann, der Chef der sechs Leute, wird das mit den Sheriffs aushandeln. Er wird sagen, sie hätten in der Gegend mit Zollfahndern und U.S.-Marshalls eine Übung gehabt und dir telefonisch Hilfe angeboten, und du hättest angenommen.«
Talley war klar, dass Martin ihnen das nicht abkaufen würde. Das konnte nur schief gehen, und zwar auf seine Kosten.
»Das glaubt doch kein Mensch! Warum sollte ich das Angebot annehmen? Die Sheriffs sind doch schon da.«
»Weil das FBI dir gesagt hat, dass Walter Smith zu einem Zeugenschutzprogramm gehört.«
»Stimmt das?«
»Sei nicht blöd, Talley. Mein Mann wird das mit den Sheriffs regeln. Er weiß, was er sagen muss, damit die mitspielen. Willst du deine Frau noch mal hören?«
»Ja.«
Kurze Zeit war es still. Dann vernahm Talley Stimmen, und schließlich hörte er Jane schreien.
»Jane?!«
Er umklammerte das Telefon mit beiden Händen und brüllte wie wild.
»Jane!«
Nun war der Rolex-Mann wieder am Apparat.
»Du hast sie gehört, Talley. Jetzt kümmere dich um meine Leute und sorg dafür, dass sie loslegen können.«
Aufgelegt. Talley saß zitternd und schwitzend da. Er drückte die Rückruftaste – nichts. Jane war weg. Der Rolex-Mann war weg. Talley schlotterte wie auf Entzug. Mühsam fand er wieder zu sich, steckte das Handy ein und fuhr zum Haus zurück.
22
Samstag, 00:03
Dennis
Als Dennis wieder ins Haus kam, sagte Mars kein Wort, doch Kevin bombardierte ihn sofort mit Fragen.
»Was hat er gesagt? Hat er ein Angebot gemacht?«
Dennis fühlte sich wie betäubt. Nicht mehr verzweifelt oder ängstlich, sondern verwirrt. Er verstand nicht, wie
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