Hostage - Entführt
bedauerte, dass er seine Mutter nie wieder sehen würde, aber nur, weil es doch so schön gewesen war, sie noch als Tote zu quälen. Sogar jetzt hörte er ihre Stimme:
Ich hasse es, wenn ich sehe, dass ein Junge unanständige Sachen macht. Ich hasse es, einen unanständigen Jungen zu sehen, Marshall! Warum zwingst du mich, dich so zu bestrafen?
Ich weiß nicht, Mama.
Das hier wird helfen, dich zu einem anständigen Mann zu machen.
Sie wollte einen Jungen keine unanständigen Sachen machen sehen – also hatte er sie dazu gezwungen, alle unanständigen Sachen mit anzusehen und manchmal sogar daran teilzunehmen. Wirklich schade, dass sie nicht hier war – er hätte sie nur zu gern Kevin und Dennis vorgestellt.
Als der Eimer leer war, nahm Mars den Kanister und verlängerte die Benzinspur bis ins Elternschlafzimmer, wo er Bett, Wände und Sicherheitstür bespritzte.
Dann zog er die Streichhölzer aus der Tasche.
Thomas
Thomas wählte Talleys Nummer, doch bevor die Verbindung zustande kam, ging das Handy aus.
»Thomas!«
»Der Akku ist fast leer. Du lädst es ja nie auf!«
Jennifer riss ihm das Telefon aus der Hand und schaltete es wieder ein. Es piepste, das Display flackerte, und dann ging das Handy wieder aus.
Jennifer schüttelte es wütend.
»Scheißding!«
»Meinst du, er macht es wirklich?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Vielleicht fliehen wir besser?«
»Dem würden wir nie entkommen!«
Jennifer nahm den Akku raus, rieb die Kupferkontakte fest über den Ärmel ihrer Bluse, leckte sie an und setzte den Akku wieder ein.
»Was machst du da?«
»Thomas, dieses Handy ist mein Ein und Alles. Ich kenn wirklich jeden Trick, damit es funktioniert.«
Mars grinste vom Bildschirm und zündete ein Streichholz an. Er hielt es hoch, damit sie es ja sahen. Die spärliche Flamme erschien auf dem Monitor als flimmernder, weißer Fleck. Er drehte das Streichholz nach unten, und die Flamme wurde größer. Dann ging er zur Tür.
Thomas packte Jennifer am Arm.
»Er macht's tatsächlich!«
Jennifer schaltete das Handy ein. Es piepste wieder, ging aber nicht aus. Sie drückte ihm das Telefon fest in die Hand.
»Hier – funktioniert!«
Thomas wählte Talleys Nummer und sah zu den Bildschirmen hoch. Mars starrte in die Kamera, als könnte er ihnen direkt in die Augen und in die Seele blicken. Dann bewegte er die Lippen.
»Was sagt er?«
Jennifer packte Thomas und zog ihn von der Tür weg.
»Er sagt: ›Lebt wohl!‹«
Mars ließ das Streichholz fallen.
Das Zimmer ging in Flammen auf.
Talley
Mikkelson war gerade eingetroffen, als Talley den Schrei aus dem Haus dringen hörte; er ging hinter einem Streifenwagen in Deckung. Die Autobahnpolizisten in der Sackgasse traten unruhig von einem Fuß auf den anderen – sie hatten den Schrei ja auch gehört. Talley hatte nicht erkannt, ob es eine männliche oder weibliche Stimme gewesen war. Jedenfalls blieb es bei diesem einen Schrei. Jetzt war es im Haus wieder ruhig.
Talley schlich zum nächsten Autobahnpolizisten.
»Sind Sie auf der Frequenz der Einsatzleitung?«
»Ja, Sir. Haben Sie das gehört? Ich glaube, da drin tut sich was.«
»Geben Sie mir Ihr Mikro.«
Talley funkte Martin an, die seine Meldung kommentarlos entgegennahm. Danach huschte er geduckt hinter den Streifenwagen entlang, die in der Straße aufgereiht waren, und lauschte dabei angestrengt, ob aus dem Haus mehr zu hören war, doch es blieb still.
Dann ging Zimmer für Zimmer das Licht aus.
Talley sah Martin kommen und bewegte sich auf sie zu. Der Schrei hatte ihm nur einen Schreck eingejagt, die Stille seither aber ängstigte ihn. Jones war zu weit weg und hatte nichts mitgekriegt.
Martin schnaufte und fragte aufgeregt:
»Was tut sich da? Warum ist das Haus ganz dunkel?«
Talley setzte gerade zu einer Erklärung an, da sahen sie ein mattes, orangefarbenes Licht, das sich von einer Jalousie zur anderen bewegte. Eine Taschenlampe, vermutete er.
Sein Handy klingelte.
»Talley.«
Es war Thomas, aber undeutlich, weil er schrie und die Verbindung schwach war.
»Ich kann dich nicht verstehen! Langsamer, Thomas – ich kann dich nicht verstehen!«
»Mars hat Kevin und Dennis umgebracht, und jetzt zündet er das Haus an! Wir sind im Sicherheitsraum, Jennifer und ich! Wir sitzen in der Falle!«
Der Empfang war lausig – der Akku des Jungen musste so gut wie leer sein.
»Alles klar, Thomas – ich hol euch da jetzt raus. Wie viel Saft hast du noch?«
»Das ist der letzte
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