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Hot Summer

Hot Summer

Titel: Hot Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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zu sehen, Anne.“ Dr. Heinz lächelte warm und konzentrierte sich dann wieder ganz auf meine Schwester. „Also gut. Dann wollen wir mal schauen, was ich für Sie tun kann.“
    Ich hatte in den nächsten Minuten wenig anderes zu tun, als moralischen Beistand zu leisten. Ich hörte still von meinem Beobachtungsposten in der Ecke zu, während Dr. Heinz mit Claire die Dinge durchging, die sie während der Schwangerschaft und der Geburt erwarteten. Sie erklärte ihr die Tests und die Veränderungen, die ihr Körper durchmachen würde. Claire stellte kluge Fragen, die zeigten, dass sie sich gut vorbereitet hatte. Ich war stolz auf sie. Sie hatte es vielleicht nicht geplant, schwanger zu werden, aber ihre Antworten, die sie Dr. Heinz gab, zeigten mir, dass sie jetzt die volle Verantwortung übernehmen wollte.
    Ich hatte bereits Ultraschallbilder gesehen, als Patricia mit Callie und Tristan schwanger war. Aber alles änderte sich, und die Technologie schreitet besonders schnell voran. Das Bild, das auf dem Bildschirm das kleine Wesen zeigte, das in Claires Bauch schwamm, ließ mich ein leises, überraschtes Geräusch machen.
    „Das ist unglaublich“, sagte ich.
    Dr. Heinz bewegte die Ultraschallsonde über Claires nackten Unterleib. „Sie können hier den Kopf sehen. Die Arme. Die Beine.“
    Claire machte Oh. „Es hat ja sogar Finger!“
    Winzige Finger, zwischen denen man sogar die Schwimmhäute erkennen konnte. Aber nichtsdestotrotz waren es Finger. Und Augen. Ohren. Eine Nase, ein Mund … es war ein richtiges Baby, auch wenn es noch so klein war.
    Ich war noch im dritten Monat gewesen, als ich mir das Kind fortwünschte, das in mir heranwuchs. Ich war damals so glücklich gewesen, als es passierte, fast überglücklich. Ungemein erleichtert. Ich war froh gewesen, das Blut zu sehen und zu wissen, dass das Leben in mir aufgehört hatte, ohne dass ich es selbst töten musste. Den Verlust meines Babys hatte ich damals nicht betrauert.
    Konfrontiert mit der Wahrheit, was ich verloren hatte, betrauerte ich es jetzt.
    Ich entschuldigte mich und ging zur Toilette, wo ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzte, bis meine Wangen taub wurden. Dann umfasste ich das kühle Porzellanwaschbecken und überlegte, ob ich vielleicht krank wurde. Doch nichts passierte, das Gefühl, sich übergeben zu müssen, verschwand. Ich machte ein Papiertuch nass und legte es in meinen Nacken. Schloss die Augen, bis der Schwindel verging.
    Wie hätte sich mein Leben wohl verändert, wenn ich das Baby nicht verloren hätte? Wenn ich das Geld und den Mut gehabt hätte, die Schwangerschaft abzubrechen. Oder wenn ich mich entschieden hätte, das Baby zu bekommen. Wenn ich auf die eine oder andere Weise die Kraft gefunden hätte, tatsächlich eine Entscheidung zu treffen, statt darauf zu warten, dass das Schicksal einschritt und die Sache für mich erledigte.
    Wenn ich vor zehn Jahren ein Kind bekommen hätte, wäre ich dann je James begegnet? Hätten wir geheiratet? Unwahrscheinlich. Der Weg, den mein Leben nahm, wäre sicher ein völlig anderer gewesen, wenn mein Kind geboren worden wäre. Selbst wenn ich es weggegeben hätte, damit fremde Leute es aufzogen, hätte mein Leben sich geändert. Ich hätte nie James geheiratet.
    Ich wäre Alex nie begegnet.
    Und alles drehte sich wieder im Kreis. Mein Gefühl von Verlust verdoppelte sich plötzlich. Das Gefühl, dass mir irgendwie die Gelegenheit genommen worden war, selbst eine Wahl zu treffen. Das Schicksal bestimmte die Richtung, die meine Beziehung mit Alex nahm. Ebenso hatte das Schicksal bereits entschieden, was aus meiner einzigen Schwangerschaft wurde. Es hatte mir gegeben, was ich wollte. Und dann nahm es mir alles wieder weg.
    Allein im Badezimmer musste ich nicht so tun, als wäre ich die strahlende, fröhliche Anne. Ich musste kein glückliches Gesicht machen, um die anderen davon abzuhalten, meine wahren Gefühle zu erkennen. Ich war zerfetzt, zerschlagen und am Ende meiner Kräfte. Meine Verletzungen waren innerlich, aber nicht weniger schmerzhaft, als wenn sie meine Haut verunstalten würden.
    Die Frau im Spiegel versuchte zu lächeln. „Ich liebe ihn“, hauchte sie.
    „Ich weiß, dass du ihn liebst“, antwortete ich flüsternd.
    „Ich sollte ihn nicht lieben.“
    „Auch das weiß ich.“
    „Ich hasse ihn“, sagte ich und schloss die Augen, weil ich den Anblick meines eigenen Gesichts nicht mehr ertrug.
    „Nein“, flüsterte sie. „Das tust du nicht.“
    Ich raffte mich wieder

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