Hotel der Sehnsucht
erklären, was der Auslöser dafür war?"
Und ob! dachte Samantha, zog es jedoch vor, dem Arzt nichts davon zu erzählen, dass sie es einzig und allein Andre zu verdanken hatte. Wie sie diesen Mann hasste! Wenn es ihr doch erspart bleiben könnte, ihn je wieder zu Gesicht bekommen zu müssen!
„Ich möchte nicht darüber reden."
Der Arzt lehnte sich zurück und betrachtete seine Patientin nachdenklich. „Weil es Sie zu sehr mitnehmen könnte? Oder weil es Ihnen unangenehm ist?"
Beides, war sie versucht zu antworten, um es sich in letzter Sekunde anders zu
überlegen.
Statt auf einer Antwort zu bestehen, betastete der Arzt vorsichtig die Narbe auf
Samanthas Schläfe. „Sie sind an einen ausgezeichneten Chirurgen geraten", stellte er freundlich lächelnd fest. „Wenn er bei Ihrem Knie auch nur annähernd so gute Arbeit geleistet hat, wird bald nichts mehr an den Unfall erinnern."
„Um das Knie mache ich mir am wenigsten Sorgen", teilte Samantha ihm vieldeutig mit.
„Ich kann mir gut vorstellen, wie Ihnen zu Mute ist." Erneut reagierte der Arzt überaus verständnisvoll. „Trotzdem halte ich es für besser, das Knie noch einmal zu röntgen. Nur um sicher..."
„Kommt nicht infrage." Mit aller Entschiedenheit schnitt Samantha ihm das Wort ab.
„Hör nicht auf sie, Jack", mischte sich plötzlich eine ihr vertraute Stimme ein. „Wenn du es für nötig erachtest, dass Samanthas Knie geröntgt wird, dann wird es auch geröntgt."
Andre! Die Gewissheit, dass er die ganze Zeit über unbemerkt im Zimmer gewesen war, traf Samantha wie ein Schock.
Umso erfreuter nahm sie zur Kenntnis, dass Jack Miles sich von ihm nichts vorschreiben ließ. „Das ist ganz allein Samanthas Entscheidung", wies er Andre zurecht und brachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick zum Schweigen, bevor er sich wieder Samantha widmete.
„Sie können es sich ja noch einmal überlegen", sagte er sanft und erhob sich. „Andre hat meine Telefonnummer, falls Sie mich brauchen."
„Vielen Dank", erwiderte Samantha höflich, doch insgeheim war sie froh, dass der Arzt sich endlich verabschiedete.
Zumal er mit einem kurzen Nicken Andre dazu brachte, ihn zu begleiten.
„Bist du dir eigentlich im Klaren darüber, was du tust?" Kaum hatten sie die Tür zum Schlafzimmer hinter sich geschlossen, knöpfte sich Jack Andre vor.
„Ich denke schon", ließ dieser ihn wissen.
„So?" Jack blieb misstrauisch. „Dann darf ich dich vielleicht darauf aufmerksam machen, dass es sich bei Samanthas Erkrankung nicht um einen Schnupfen, sondern um eine Amnesie handelt. Am besten wäre sie sicherlich in einem Krankenhaus aufgehoben."
„Schlag dir das aus dem Kopf!" widersprach Andre entschieden, um sich ebenso entschieden von Jack abzuwenden und die Treppe hinunterzugehen. „Ich werde nicht
zulassen, dass sie erneut dorthin muss. Da hat sie ohnehin schon viel zu viel Zeit zubringen müssen", setzte er traurig hinzu.
„Und was macht dich so sicher, dass sie bei dir besser aufgehoben ist?"
„Na hör mal!" Die Frage des Arztes brachte Andre in Rage. „Immerhin ist sie meine Frau!" machte er seiner Empörung Luft. „Sie braucht mich, und anders als vor einem Jahr werde ich sie diesmal nicht im Stich lassen."
„Ich wollte dir nicht zu nähe treten, Andre." Andres heftige Reaktion ließ Jack einsehen, dass er die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit seines Freundes unterschätzt hatte.
„Gleichwohl solltest du bedenken, dass es erst zwei Tage her ist, dass du sie gefunden hast.
Und die Häufung ihrer Schwächeanfälle spricht eine ziemlich deutliche Sprache, findest du nicht?"
„Vielen Dank, dass du gleich gekommen bist." Andre stand der Sinn nicht nach Belehrungen, und um Jack unmissverständlich klarzumachen, dass er allein sein wollte, öffnete er die Haustür.
Doch so schnell ließ Jack sich nicht abwimmeln. „Bei allem Verständnis für deine
Ungeduld", sagte er bestimmt, „mehr als alles andere braucht Samantha jetzt Zeit. Darum solltest du alles vermeiden, was sie unter Druck setzen könnte. Einen größeren Bärendienst, als sie zu irgendetwas zu zwingen, kannst du ihr gar nicht erweisen. Und dir selbst auch nicht."
Der Rat kommt genau ein Jahr zu spät, dachte Andre, bevor sich Jack endlich
verabschiedete.
Nachdem er die Haustür geschlossen hatte, ging Andre nachdenklich ins Wohnzimmer, um sich einen Drink zu mixen. Wie zufällig fiel sein Blick auf das Foto, das auf dem antiken Sekretär stand, dem einzigen Möbelstück, das
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