Hotel Galactic
ein.
Sicher hatte es einiger hundert Wood Colemans bedurft, um Quibir zu erhalten.
Flachsbarth blickte zu dem Haus zurück, das er bewohnte. Die Beschläge aus Aluminium waren in den letzten Jahren oxydiert, und vom Regen abgewaschener Kalk hatte Spuren auf der Außenfläche hinterlassen. In seiner Gesamtheit wirkte das Haus düster, trotz der bunten Fenster des Restaurants.
Flachsbarth glaubte die Wände wie mit Röntgenaugen durchblicken zu können, und er sah Sylva auf ihrer nimmermüden Jagd nach Schmutz, wie sie trotz aller Anstrengungen nicht verhindern konnte, daß die Anzeichen beginnenden Verfalls von außen nach innen drangen.
Das Haus würde sie überleben, aber es würde sehr alt sein, wenn sie es verließen. Niemand würde nach ihnen einziehen, denn die Zahl der Bewohner des Randgebiets wurde immer geringer.
Flachsbarth hatte den ersten der verlassenen Schuppen erreicht, die man auf dem Landefeld errichtet hatte. Er zuckte zusammen, als er menschliche Stimmen hörte. Sie drangen aus dem Schuppen. Flachsbarth schlich zum Fenster und spähte vorsichtig ins Innere.
Er sah seinen Sohn mitten im Raum stehen. Quito spielte auf einem Instrument, das Flachsbarth nicht kannte, und sang dazu mit seiner rauhen Stimme. Im Hintergrund kauerte ein Mädchen auf einem primitiven Lager und hörte zu. Flachsbarth stand wie erstarrt und atmete kaum.
Quito, sonst aggressiv und herausfordernd, wirkte entspannt und losgelöst. Er spielte gleichmäßig ruhig. Sein Gesang schien nicht für das Mädchen bestimmt zu sein, er war eher Ausdruck einer inneren Zufriedenheit, wie Flachsbarth sie bei seinem Sohn nicht vermutet hätte.
Das Mädchen hatte große glanzlose Augen, aber sie beobachtete damit nicht Quito, sondern ihre Hände, die sie spreizte und zusammenzog, als folgte sie damit der Melodie des Liedes.
Flachsbarth schlich sich davon. Er war beschämt und zugleich innerlich aufgewühlt. Eine innere Stimme sagte ihm, daß Quito und dieses Mädchen eine Einheit bildeten, vielleicht nur für Stunden, aber dafür tiefer und glücklicher als er, Flachsbarth es mit Sylva jemals erlebt hatte.
Flachsbarth senkte den Kopf und stürmte über das Landefeld voran. Es begann zu regnen, und der Boden glänzte vor Nässe. Ein grotesk verzerrter Schatten huschte vor Flachsbarth über das Landefeld hinweg – auf das düstere Haus in der Ferne zu.
Durch die verschmutzten Fenster der Rohrbahn sah Flachsbarth die mit riesigen Reklametafeln bemalten Wände des Tunnels. Bei der hohen Geschwindigkeit der Rohrbahn mußten die Buchstaben oft bis zu hundert Meter lang sein, um von den Reisenden überhaupt erkannt zu werden. Diese Werbung verschlang Summen, die Flachsbarths Vorstellungskraft überstiegen.
Der Abschied von Sylva hatte eine unangenehme Erinnerung in Flachsbarth zurückgelassen; als er sie zu küssen versucht hatte, war sie vor ihm zurückgewichen. Er war gegangen wie ein Fremder, und doch breitete sich in ihm das Gefühl eines Verlusts aus, so daß er voller Erstaunen erkannte, wieviel ihm alles bedeutete, was er zurückgelassen hatte.
Ihm gegenüber saß ein dicker schwitzender Mann mit verbissenem Gesichtsausdruck. Der Fremde starrte vor sich hin, während seine Hände die Sitzkante umklammerten.
Flachsbarth war froh darüber, daß er einen schweigsamen Abteilnachbar hatte.
Über ihm im Gepäckabteil lag seine schäbige Kunststofftasche, deren Inhalt genau das vorschriftsmäßige Gewicht besaß, das Flachsbarth auf seinem Flug mitnehmen durfte. Sylva hatte jedes Teil von Flachsbarths bescheidener Ausrüstung gewogen, bevor sie es verpackt hatte.
Jedesmal, wenn die Bahn hielt, drang Lärm von draußen herein, und Flachsbarth sah Menschen vorbeieilen, die gleich ihm irgendein Ziel hatten.
Irgendwann zwischen Quibir und Brutusk stieg der Dicke aus, und Flachsbarth blieb allein im Abteil zurück. Nach jeder Station mußte er seine Karte in den Kontrollschlitz stecken, damit der automatische Schaffner die Berechtigung zur Weiterfahrt prüfen konnte. Auf einer Strecke von zwölf Meilen bewegte sich die Bahn an der Erdoberfläche. Flachsbarth sah einen Gebäudekomplex, der sich weit ins Hinterland erstreckte. Er vermutete, daß es sich um einen Lebensmittelsilo handelte. In verschiedenen Gebieten der Erde kam es immer wieder zu Hungerkatastrophen. Dann öffneten sich die Silos, und große Transportmaschinen brachten die Güter in die bedrohten Länder.
Spät am Abend kam die Bahn in Brutusk zum Stehen. Über
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