Hotel Mama vorübergehend geschlossen
ausstehen konnte. Angeblich trieb sie ihn schneller aus dem Bett als Bach oder Beat. Tinchen hörte auch schon das Wasser rauschen. Sie hatte sich gerade entschlossen, den Kampf mit der Kaffeemaschine noch einmal aufzunehmen, diesmal allerdings daneben stehenzubleiben, bis das Wasser durchgelaufen war, als es klingelte. »Zehn nach sechs?« murmelte sie nach einem Blick auf die Uhr, »früher wäre das der Milchmann gewesen oder der Brötchenjunge, jetzt kann's eigentlich nur die Polizei sein. Aber warum denn? Florian war doch heute nacht zu Hause?!«
Es waren auch nicht die Grünuniformierten, die vor der Tür standen, sondern eine perfekt gestylte Ellen Hildebrandt. »'Ttschuldigung, Tina, ich weiß, es ist viel zu früh, aber ich habe Licht gesehen, und da dachte ich mir, ich gucke mir Ihre Paula Sowieso schnell noch an, bevor ich die Verantwortung für sie übernehme. Orchideen kenne ich eigentlich nur zellophanumhüllt als Einzelexemplare, für die man nie eine passende Vase hat. Das letztemal mußte das Röhrchen von Hartmuts Zigarre herhalten. Leider ging zu wenig Wasser rein … Na ja, orangefarbene Blumen habe ich noch nie leiden können.«
Einladend öffnete Tinchen die Tür. »Kommen Sie doch erst mal rein! Wieso sind Sie denn um diese Uhrzeit schon ausgehfertig?« Ein bewundernder Blick streifte Ellens elegante Erscheinung. »Normale Arbeitnehmer stehen doch jetzt erst auf.«
»Aber nicht, wenn sie um halb zehn in Frankfurt sein müssen. – Mhmm, das riecht so verlockend nach Kaffee, haben Sie eine Tasse übrig?«
»Noch nicht, aber gleich!« Während Tinchen in Windeseile die Maschine munitionierte und ein Stoßgebet an den unbekannten Erfinder der Filtertüten schickte, er möge doch diesmal ein Einsehen haben, erzählte Ellen, weshalb sie zu einer so unchristlich frühen Zeit aus den Federn mußte. »Heute ist doch der große Tag! Präsentation der Entwürfe für den Freizeitpark. Unsere gesamte Elite ist gestern schon runtergefahren, bepackt mit einem halben Zentner Bauplänen, Kostenvoranschlägen und was man noch so alles braucht, um die Auftraggeber von der Einmaligkeit des von uns konzipierten Projekts zu überzeugen. Nur ist den Herren heute nacht um halb eins eingefallen, daß der Kunde bestimmt auch ganz gern das Modell sehen würde, und das steht immer noch in der Firma. Muß ich noch mehr sagen?«
Tinchen schüttelte den Kopf. »Und deshalb müssen Sie in aller Herrgottsfrühe …? Ist ja barbarisch! Hätte man diesen ganzen Auftrieb denn nicht um zwei Stunden verschieben können?«
»Hat man aber nicht, der Kunde ist eben König.«
»Na schön«, sagte Tinchen trocken und schob Ellen einen Becher Kaffee über den Tisch, »aber wer ist denn heute noch für die Monarchie?«
»Die Engländer!« klang es von der Tür her, wo ein gutgelaunter, nach Rasierwasser und Tinchens Duschgel duftender Florian schnuppernd die Nase hob. »Die schaffen doch eher den Linksverkehr ab als die Windsors. Kriege ich auch eine Tasse?«
Er bekam sie, doch bevor er die unerläßliche Frage nach dem frühen Besuch seiner Nachbarin stellen konnte, wurde er aufgeklärt. »… und nun will sie noch wissen, wie sie meine Phalaenopsis behandeln soll. Dabei gibt's die doch gar nicht mehr.«
»Ist das dieses sensible Gewächs, das, wenn es überlebt hätte, Jahr für Jahr neu erblühen sollte? Diese Phala … wie war das noch?«
»Phalaenopsis-Hybride.«
»Genau! Was so heißt,
kann
in unseren Breitengraden ja gar nicht gedeihen!« Mißtrauisch beäugte er die schwarze Brühe in seinem Becher, probierte einen Schluck und kippte den Inhalt ins Spülbecken. »Nimm's mir nicht übel, Tine, aber ich möchte meinen Kaffee nicht kauen, sondern einfach nur trinken.«
»Was ist denn jetzt schon wieder …«, ärgerlich stand sie auf und inspizierte die Kaffeemaschine. Diesmal war die Filtertüte nicht umgeknickt, sie war lediglich unten am Boden aufgerissen. »Heute ist einfach nicht mein Tag!«
»Macht doch nichts«, sagte Ellen, »bei den steigenden Kaffeepreisen sollten wir uns sowieso mal wieder daran erinnern, wie ungesund das Zeug eigentlich ist!« Sie schob ihren Stuhl zurück und reichte Tinchen die Hand. »Ich muß los! Ihnen beiden wünsche ich einen wunderschönen Urlaub, erholen Sie sich gut, und wenn Sie abends bei ihrem Sundowner an der Strandbar sitzen, dann denken Sie mal an mich.« An der Haustür drehte sie sich noch einmal um. »Wie kommen Sie denn zum Flugplatz?«
»Mit dem Taxi natürlich«,
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