Hotel Mama vorübergehend geschlossen
einem Dollarschein unterstützen«, empfahl sie, bevor sie den anderen folgte, die hinter der Hecke verschwunden waren.
Dort sah es schon erheblich besser aus! Zwischen Palmen und riesengroßen dekorativen Gewächsen, die Tinchen bislang nur in Miniaturgröße im Blumentopf gesehen hatte, standen weißgetünchte, jeweils an zwei Seiten offene Gebäude, in denen Rezeption, Speisesaal und die für Touristen unerläßlichen Shops untergebracht waren. Ein Stück weiter hinten gab es einen Swimmingpool, umgeben von Tischen und Stühlen, und dahinter, beinahe in den Strand übergehend, eine große, rundherum offene Bar, in der schon lebhafter Betrieb herrschte. Happy hour! Vier einheimische Boys traten sich beinahe gegenseitig auf die Füße, um all die Wünsche nach Lemonjuice, Fruitcocktail, Bananashake oder diesen bunten exotischen Drinks zu erfüllen.
Das alles interessierte Tinchen erst in zweiter Linie. Endlich sah sie das Meer! Nicht nur von oben oder nur mal so zwischen den Bäumen hindurch, sondern in seiner ganzen endlosen Weite, die bis zum Horizont durch nichts begrenzt wurde. »Flori, guck doch bloß mal, sieht das nicht aus wie ein riesiger Spiegel? Überhaupt keine Wellen …«
Florian konnte nicht gucken, denn er war noch gar nicht da. Gerade hatte er sich die Kosmetikbox um den Hals gehängt, mit der rechten Hand zur Sporttasche gegriffen und mit der linken zur Strandtasche, als ihm Jimmy auch noch die Duty-free-Tüte unter den Arm schob. Fluchend trottete er los und hoffte, daß ihn hinter der Hecke nicht noch ein längerer Fußmarsch erwartete. Zuerst fiel die Tüte herunter, und nachdem er den Inhalt aufgesammelt und auf das übrige Gepäck verteilt hatte, riß der Griff von der Strandtasche ab. »Verdammte Schei …!« Mit einem nicht gerade sanften Tritt beförderte er den blau-weiß gestreiften Baumwollsack hinter eine etwas bizarr geformte Pflanze, wo er nicht gleich ins Auge fiel, stopfte das, was herausgefallen war, in seine Hosentaschen und nahm das übrige Gepäck wieder auf. Jetzt hatte er das Ziel wenigstens schon vor sich, keuchte jedoch erst in dem Moment heran, als Tinchen zusammen mit dem Schlüssel zwei Clips ausgehändigt bekam, an denen je ein grünes Plastikschild mit Namen und Zimmernummer hing. »Die Anhänger sollten Sie nach Möglichkeit immer sichtbar tragen oder zumindest bei sich haben«, erläuterte Steven. »Dies hier ist ein Alles-inklusive-Hotel, allerdings mit zweihundert Gästen, und bisher haben wir noch keine andere Möglichkeit der Kontrolle gefunden, es sei denn, wir würden Ihnen einen festsitzenden Armreif verpassen. Nur erinnert das ein bißchen an Sklaverei, und die wurde bekanntlich abgeschafft.«
»Da bin ich mir nicht so sicher!« Florian ließ das Gepäck genau vor Tinchens Füße fallen, zog ein zartblaues Tuch aus der Hosentasche und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. Sofort riß es ihm Tinchen aus der Hand. »Bist du verrückt? Das ist reine Seide! Wo hast du das überhaupt her?«
»Unterwegs rausgefallen! Hier ist noch was!« Zum Beweis holte er eine Handvoll Zusammengeknülltes heraus und schüttelte es auseinander. »Ich glaube, das gehört auch dir.«
Mit hochrotem Kopf nahm ihm Tinchen den Spitzen-BH aus der Hand. »Schuft!« zischte sie leise, doch dann wieder in normaler Lautstärke: »Da fehlt aber noch was. Wo ist …«
»… das Höschen dazu? Keine Ahnung, wahrscheinlich noch in der Tasche.«
Für den bewährten Tritt ans Schienbein stand Florian zu weit weg, und so blieb Tinchen nichts anderes übrig, als das Grinsen der Umstehenden zu ignorieren und noch einmal nachzuhaken. »Ich meine doch die Tasche! Hast du die etwa auch verloren?«
»Irgendwo da hinten unter 'nem Kaktus«, nuschelte er, bevor er sich in einen Sessel plumpsen ließ, »selbst Sklaven haben nur zwei Hände.«
Während Steven dem amüsierten Auditorium und insbesondere Florian nochmals erklärte, daß sich niemand um seine Koffer zu kümmern brauche, sondern sie sofort – offenbar eine Steigerung von ›gleich‹ – zu den Bungalows gebracht würden, war Tinchen schon losgelaufen. Da ihre Kenntnisse tropischer Vegetation ähnlich unzulänglich waren wie die von Florian und sie außerdem auf der falschen Seite suchte, dauerte es eine ganze Weile, bis sie den vermeintlichen Kaktus gefunden hatte. »Das war eine Agave«, sagte sie vorwurfsvoll, nachdem sie wieder unter dem schattigen Dach stand, die Tasche vor den Bauch gepreßt, »und daß der Griff
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