Hotel Mama vorübergehend geschlossen
gesehen und die trübe Funzel, die einen Teil davon beleuchtete, dazu den Bungalow, auch nicht gerade ein Meisterstück karibischer Architektur, und daneben den großen Blumentopf, letzte Ruhestätte einer Familie verkümmerter Pelargonien.
»Wenn du weit genug springst, kannst du direkt aus dem Fenster ins Wasser hopsen, Tine«, kam es von irgendwoher aus der Dunkelheit. »Du kannst es aber auch bleiben lassen und den bequemeren Weg nehmen.« Tinchen hatte ihn nicht gesehen, bis Florian plötzlich neben ihr stand, die Hosenbeine bis zum Knie hochgerollt, mit nassen Füßen und glänzenden Augen.
»Komm mal mit!« Er zog sie hinter sich her, um den Bungalow herum, und dann hatte sie auch schon Sand unter den Schuhen und direkt vor sich das Meer. Es war nur ein kleines Stück Strand, etwa fünf Meter breit und dreimal so lang, dann ging die Mauer in einen Wellenbrecher aus aufgetürmten, schweren Steinen über, der ein ganzes Stück weit ins Meer reichte. Auf der anderen Seite, also dort, wo sich die Bungalows fortsetzten, verhinderten Klippen den direkten Zugang zum Wasser.
»Das ist ja eine richtige kleine Bucht«, staunte Tinchen, »und hier kommt wirklich keiner her?«
»Nein, die gehen alle entweder an den Pool oder jenseits davon an den großen Strand. An manchen Tagen geht's da zu wie in Rimini zur Ferienzeit. Hier ist es zwar himmlisch ruhig, doch dafür müssen wir auf Sonnenschirme verzichten, und die Strandbars sind auch ziemlich weit weg!«
»Und nie kriegt man hier hinten mit, wann vorne der Eis-Wagen kommt!« sagte Herr Maier lachend. »Zu Hause esse ich ganz selten mal eins, aber hier bin ich verrückt nach dem Zeug.« Er stapfte durch den Sand zurück auf den Weg. »Komm, Fiffi, lassen wir endlich Beckers in Ruhe!«
»Bender!« korrigierte Florian, während er sich suchend umsah, »Florian Bender. Und wer, bitte, ist Fiffi? Haben Sie Ihren Hund mitgebracht?«
»Er braucht keinen«, sagte Frau Maier trocken, »die Zeitung und die Pantoffeln bringe ich ihm, und spazieren geht er sowieso nicht.« Doch dann fügte sie erklärend hinzu: »Eigentlich heiße ich Elfriede, aber als mein Neffe noch klein war,
konnte
er den Namen nicht aussprechen, und als er größer wurde,
wollte
er nicht mehr, weil er bei ›Fiffi‹ so schön durch seine Zahnlücken spucken konnte. – Jetzt hat er keine mehr und schon seine dritten Zähne, aber der Name ist mir bis heute geblieben.« Sie folgte ihrem Mann, drehte sich jedoch noch einmal um. »Vielleicht sehen wir uns ja noch beim Essen, ansonsten wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.«
»Danke«, antwortete Tinchen, »ich werde sicher prima schlafen bei dem Nachholbedarf.«
»Tiiine! Von mir aus kannst du ja ruhig am Strand schlafen, aber bring vorher noch den Schlüssel her, ja?«
»Komme schon!« Sie rannte los, hielt jedoch gleich wieder an, weil sie den Sand aus den Schuhen kippen mußte, klemmte sie unter den Arm und tastete sich vorsichtig bis zum Weg vor. »Kannst du nicht mal Licht machen? Vor den anderen Bungalows sind doch auch die Lampen an.«
»Der Schalter ist anscheinend im Haus«, erklärte er geduldig, »und da die Tür ziemlich stabil aussieht und ich ungern ein Fenster einschlagen …«
»Hab schon kapiert!« Dann erst bemerkte sie die abgestellten Koffer. »Die sind ja tatsächlich da?!«
»Und sogar schon länger als wir. – Hast du den Schlüssel?«
»Moment, ich hab ihn in der Hosentasche.« Sie faßte hinein – und zog die Hand leer wieder heraus. »Verstehe ich nicht! Vorhin war er doch noch da, der kann doch nicht einfach weg …« Sie stülpte die Taschen ihrer Shorts nach außen, zog sie schließlich ganz aus, danach den Slip, vielleicht hatte sich der Schlüssel irgendwie verhakt, klein genug war er ja – doch dann mußte sie zugeben, daß er verschwunden war. »Ich kann ihn höchstens am Strand verloren haben, eben, als ich die Schuhe ausgezogen habe. Die Stelle weiß ich noch genau, weil ich beinahe auf eine Muschel getreten wäre … Flori, hilfst du suchen?«
Flori sagte gar nichts, er setzte sich auf den großen Koffer und starrte sein Tinchen sekundenlang an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Weißt du, woran du mich erinnerst? An das kleine Mädchen aus dem Märchen, bei dem plötzlich lauter Münzen vom Himmel fallen.«
»Meinst du ›Sterntaler‹?« fragte sie zaghaft.
»Genau! Ich hoffe nur, das Kind hatte ein etwas längeres Hemdchen an, denn mit dem da« – er zeigte auf Tinchens T-Shirt – »hätte
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