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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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läßt. Als sich die gestrandete Truppe gerade entschlossen hatte, auf gut Glück loszumarschieren, und zwar bergab, denn bis hierher war es ja ständig aufwärts gegangen, hupte es vernehmlich, und dann bog auch schon ein riesengroßer blau-silbern glänzender Bus um die Ecke. Die Türen öffneten sich, angenehme Kühle strömte heraus, und dankbar nahmen die vorhin so unverhofft Ausgesetzten wieder Besitz von den Errungenschaften der Zivilisation: Klimaanlage und Eisbox mit kalten Getränken.
    Es wurde übrigens nie genau geklärt, weshalb dieser Fahrzeugwechsel erforderlich gewesen war. Erst wurde gesagt, daß man jenen Bus woanders gebraucht hätte, weil er so schön klein wäre, dann wieder hieß es, der Fahrer sei im Begriff gewesen, Vater zu werden, und sei deshalb einfach umgekehrt, wofür sogar alle Verständnis gehabt hätten, doch vermutlich lag die Wahrheit dort, wo sie in solchen Fällen meistens liegt, und das nicht nur auf Jamaika: Irgendwer hatte Mist gebaut, denn wo ein Kopf ist, da ist häufig auch ein Brett.
    Mit entsprechender Verspätung erreichte der Bus doch noch sein Ziel, eine Art Lagerhalle, vor der die benötigten Fahrräder aufgereiht standen. Auf einem Tisch lag ein Sortiment der zwar empfohlenen, nichtsdestotrotz äußerst unkleidsamen Helme, und etwas abseits stand ein großer Spiegel, dem es vermutlich zu verdanken war, daß fast die Hälfte der Teilnehmer doch lieber auf den Helm verzichtete. Tinchen hatte vorsichtshalber erst gar nicht reingeguckt, nachdem sie sich eins dieser sperrigen Dinger aufgesetzt und unterm Kinn festgeschnallt hatte, Florians Grinsen hatte ihr genügt. »Lieber eine Stunde lang häßlich als ein Leben lang tot!« fauchte sie ihn an, »und glaub bloß nicht, daß du mit diesem halben Ei auf'm Kopf besser aussiehst als ich!«
    Alfred kämpfte mit dem ihm zugewiesenen Fahrrad. Es war ein sehr rustikales und offensichtlich auch stabiles Modell, trotzdem schien es ihm nicht zu behagen. »Als ich ihn geheiratet habe, hatte er eine Figur wie ein griechischer Gott«, kommentierte Fiffi halblaut die Versuche ihres Mannes, auf dem extra breiten Sattel Halt zu finden, »jetzt ähnelt sie mehr einem griechischen Wirt!« Und dann lauter: »Nimm lieber ein Damenfahrrad, Alfi, da kann dir wenigstens die Stange in der Mitte nicht gefährlich werden!«
    Eine Viertelstunde lang schraubten zwei Mechaniker an den Rädern herum – Sattel höher, Sattel tiefer, Lenker niedriger, Klingel mehr nach vorne … dann endlich formierte sich die Kavalkade. Vorneweg ein junger Einheimischer als Führer, dann dreiundzwanzig mehr oder weniger fahrradtrainierte Touristen zwischen achtzehn und achtundsechzig, und hintendran ein zweiter Jamaikaner, der den ganzen Pulk zu überwachen hatte. Das Schlußlicht bildete ein Jeep, dessen Fahrer angeblich in Erster Hilfe ausgebildet war. Auf dem leeren Sitz neben ihm stand ein Aluminiumkoffer mit einem aufgeklebten roten Kreuz auf dem Deckel.
    »Wo ist denn der Wagen mit den Ersatzteilen?« wollte jemand wissen, »bei der Tour de France ist immer einer dabei!«
    Ein anderer vermißte Presse und Fernsehen und gab damit das Stichwort für die Videofilmer, die schon während der ganzen Vorbereitungen als einäugige Hindernisse herumgestanden waren und nun auch noch den geordneten Aufmarsch ablichten wollten. »Stellt euch mal ein bißchen enger zusammen!«
    Endlich gab der Leithammel das Startzeichen, und dann begann eine Fahrt, deren Nachwirkungen die Teilnehmer noch tagelang spüren sollten! Es ging tatsächlich immer bergab, zum Teil sogar mit erheblichem Gefälle, nur hatte ihnen niemand vorher gesagt, daß die Route nicht über normale Straßen führte, sondern über von Schlaglöchern durchsetzte Nebenwege. Gelegentlich waren sogar noch Reste einer früheren Asphaltschicht zu sehen, meistens in Form von hinderlichen Buckeln, die man tunlichst zu umfahren hatte. Als Tinchen solch ein Hindernis zu spät bemerkte und seitlich wegrutschte, kam der Koffer zum Einsatz, und sie stieg mit einem Pflaster am Ellenbogen und stark verminderter Begeisterung wieder auf's Rad. »Das ist keine Straße, das ist ein Parcours für Stuntmanlehrlinge«, keuchte sie, ein großes Schlagloch vorsichtig umrundend, »aber die werden dafür wenigstens bezahlt! Und wir? Sechzig Dollar habe ich für uns beide hingeblättert, und was habe ich jetzt davon? Einen aufgeschürften Arm, Schwielen am Hintern und herumhüpfende Bandscheiben! Wer weiß, ob die nachher wieder in ihre

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