Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Kaminrock zulegen, obwohl ich gar keinen Kamin habe, und drittens fürchte ich, den Überredungskünsten der Verkäuferin genausowenig gewachsen zu sein wie Dorothee. Ich bitte euch, wer zieht denn freiwillig einen Badeanzug mit goldenen Applikationen an?«
»Vergiß nicht die Kittelschürze!« erinnerte Florian.
»Ganz so abwegig ist der Vergleich nicht einmal, nur laß ihn nicht Dorothee hören. Sie hat für diesen albernen Fummel mehr bezahlt als ich für zwei Sommerkleider.« Frau Antonie stand auf und wandte sich zum Gehen. »Heute sehen wir uns bestimmt nicht mehr, Ernestine, denn ich werde früh zu Bett gehen. Dorothee hatte sich vorhin schon hingelegt, sonst wäre sie natürlich mitgekommen.«
»Das hätte noch gefehlt«, knurrte Florian sotto voce, öffnete seiner Schwiegermutter die Tür und begleitete sie bis zum Weg, um sie auf die fehlende Steinplatte aufmerksam zu machen. Nicht auszudenken, wenn sie hinfallen und sich womöglich ernsthaft verletzen würde. Arzt, Krankenhaus, Papierkrieg ohne Ende, vorgezogener Heimflug … Urlaub ade, und zwar für alle! Erst als sie hinter einer Fächerpalme verschwunden war, trottete er langsam zurück.
Tinchen saß noch immer auf dem Bett, in der Hand die Packung mit den Tempotüchern, und sah alles andere als glücklich aus. »Warum mußten wir denn bloß Urlaub auf Jamaika machen, Flori? Auf Teneriffa wäre uns das nicht passiert, da sind sie nämlich schon gewesen.«
Bereits während des Abendessens hatten sie überlegt, wie sie den Besichtigungsdrang der beiden Damen befriedigen könnten, ohne selbst dazu beitragen zu müssen. Tinchen wollte sich mit Steven beraten in der irrigen Annahme, er habe alle angebotenen Ausflüge schon mal selber mitgemacht, und Florian hatte vor, entsprechende Erkundigungen bei den zwei Ehepaaren einzuholen, die erstens zu den ältesten Senioren unter den Hotelgästen gehörten und zweitens nur sehr selten am Strand gesichtet wurden; offenbar waren sie viel unterwegs. Vielleicht konnte man ihnen sogar Toni und Frau Ka-Ka ans Herz legen, beide waren ja nicht dumm, konnten, wenn sie wollten, sogar amüsant sein, und möglicherweise wäre das Senioren-Kleeblatt nach anderthalb Wochen ›Viersamkeit‹ ganz dankbar für andere Gesichter und ein paar Neuigkeiten aus der Heimat. Urlauber versichern sich zwar ständig gegenseitig, daß sie weder Zeitung noch Radio vermissen, vom Fernsehen ganz zu schweigen, und doch stürzen sie sich bei der ersten Gelegenheit auf die Neuangekommenen und wollen wissen, wie 1860 München gespielt hat und ob Prinz Charles nun doch seine Camilla heiraten darf. Wichtig ist auch der aktuelle Wetterbericht. Nordostwind mit leichtem Schneetreiben bei drei Grad unter Null läßt sie sogar den schmerzhaften Sonnenbrand vergessen.
Nach längerem Zögern hatte Florian zugestimmt, seiner Schwiegermutter und notgedrungen auch Frau Ka-Ka Plätze am eigenen Tisch einzuräumen. »An den meisten Tagen werden wir wohl nur am Abend zusammen essen«, hatte Tinchen gesagt, »die beiden sind Frühaufsteher und morgens bestimmt bei den ersten an der Futterkrippe, und wenn sie auf Tour sind, kommen sie am Spätnachmittag zurück, sind müde und wollen gleich nach dem Essen ins Bett.«
»Der liebe Gott erhalte dir deinen Kinderglauben«, hatte Florian gemurmelt, bevor er den beiden zuständigen Kellnern klarzumachen versuchte, daß die zwei Damen aus Bungalow 71 künftig am Tisch von Bungalow 22 sitzen würden. Darauf wurde das Schild mit der Nummer 22 gegen das mit der 71 ausgetauscht, nach Florians händewedelndem Protest wieder zurückgebracht, und dann endlich wurde der Oberkellner herbeizitiert. Da er ein verständliches Englisch sprach, übernahm Tinchen die weiteren Verhandlungen, so daß das Problem schließlich zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst werden konnte.
Florian hatte übrigens laut losgelacht, als er die Zimmernummer seiner Schwiegermutter erfahren hatte. »71? Das ist doch drüben auf der anderen Seite? Deine Mutter soll bloß aufpassen, daß sich Frau Ka-Ka nicht auch noch diesen Nackedeis anschließt!« Und als er Tinchens ungläubiges Gesicht sah: »Ich meine ja nur … wenn sie doch schon beim Minirock angekommen ist …!«
Schon nach wenigen Tagen war Frau Antonie ein Jamaika-Fan. Frau Klaasen-Knittelbeek natürlich auch, nur etwas zurückhaltender. Sie hätte ganz gerne mal Blaugold am Strand ausgeführt oder nachmittags am Pool einen Tee zu sich genommen und das Treiben rundherum beobachtet, doch
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