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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Tinchen auch beim Abendessen allein am Tisch.
    Die berühmte Floßfahrt auf dem Rio Grande wollten sie allerdings selber mitmachen. Fast alle Gäste, die sich zu einem Ausflug nach Port Antonio aufgerafft hatten – sehr lang, sehr kurvenreich und teilweise über als Highways bezeichnete Landstraßen dritter Ordnung –, waren begeistert gewesen, besonders Steven. »Das dürfen Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen«, hatte er gesagt. »Sie würden es ewig bereuen.«
    Nun kann man schlecht bereuen, daß man etwas nicht gesehen hat, wenn man gar nicht weiß, ob es einem überhaupt gefallen hätte, zumal Tinchen von gewissen Zweifeln geplagt wurde. Bekanntlich fließt der Rio Grande irgendwo an der Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko, ist ziemlich lang und wird in fast jedem Western mindestens einmal namentlich erwähnt. »Bist du sicher, daß sich Steven nicht geirrt hat?«
    »Rio Grande heißt nichts anderes als Fluß, großer«, sagte Florian, »und da es auf dieser Insel viele Flüsse gibt und einer von ihnen zwangsläufig der größte sein muß, hat auch Jamaika seinen Rio Grande. Was ist daran so unverständlich?«
    Herr van Dahlen hatte ein Großraum-Taxi geordert, in ein normales paßten keine sechs Personen hinein. Fahrer Robert James Timothy, auf eigenen Wunsch kurz ›Bobby‹ genannt, erklärte auf Befragen, die Hinfahrt dauere etwa zwei Stunden, die Floßfahrt genauso lange oder länger, das käme auf den Wasserstand an, und die Rückfahrt noch länger, weil seine Fahrgäste immer irgendwo halten und Shopping machen wollten, doch zum Abendessen seien sie jedesmal pünktlich wieder im Hotel gewesen. Frau Antonie hielt dagegen, wenn man auf mögliche Einkäufe verzichten und ohne Aufenthalt durchfahren würde, könne man doch sicher auch schon gegen sechzehn Uhr zurück sein. Für diesen Zeitpunkt sei nämlich an diesem Tag eine Trauung angesetzt, und die hätte sie doch sehr gern gesehen. »Ich stelle mir das richtig romantisch vor.«
    »Dann solltest du auf die Realität verzichten«, sagte Tinchen, die schon drei Hochzeiten mitgekriegt und ab der vierten gar nicht mehr hingeguckt hatte. »Du würdest deine ganzen Illusionen verlieren.«
    Frau Antonie glaubte das zwar nicht, gab sich jedoch mit der Versicherung zufrieden, daß ein derartiges Spektakel beinahe jeden Tag stattfinde und sie noch genügend Gelegenheit haben werde, bei einem zuzusehen.
    Obwohl Bobby ein ebenso talentierter wie rasanter Fahrer war, der die Verkehrsregeln mit dem gleichen Fatalismus mißachtete wie seine Kollegen und trotzdem überlebt hatte, dauerte schon die Hinfahrt eine Stunde länger als veranschlagt. Das läge nur an den vielen Umleitungen und Sperrungen wegen der Bauarbeiten, behauptete er, beim letzten Hurrikan habe es so viele Straßenschäden gegeben, daß man mit den Reparaturen nicht nachkäme.
    »Der letzte Hurrikan war vor drei Jahren«, erinnerte sich Herr van Dahlen.
    »Yes«, bestätigte Bobby, denn er verstand immer genau so viel Deutsch, wie er verstehen wollte, »but no dunny, no Geld da.«
    Da es sich hierbei nicht um ein rein jamaikanisches, sondern um ein auch in Deutschland sattsam bekanntes Problem handelte, hatten seine Fahrgäste Verständnis. Zwar sind deutsche Autobahnen generell besser in Schuß, doch Baustellen mit Engpässen gibt es ebenfalls, und fertig werden sie auch nie. Dabei kann man die Verzögerungen nicht mal auf Hurrikans schieben, die kommen in Deutschland nämlich relativ selten vor!
    Gerade als Frau Klaasen-Knittelbeek zu jammern anfing, nun könne sie aber wirklich nicht mehr sitzen und ob man denn nicht mal eine Pause machen könne, fuhr Bobby langsam durch ein extra großes Schlagloch und dann in eine Wiese, auf der schon andere Wagen standen. »First you must buy tickets in this house!« Er zeigte auf eine Art Schweizer Chalet mit Blumenkästen an der Seite und Toilettenhäuschen hinten dran, dann öffnete er die Türen, half den Damen beim Aussteigen und vergaß auch nicht den Regenschirm, auf den Frau Antonie nie verzichtete, ihn immer wieder mal stehen ließ und erst nach längerer Gedächtnisakrobatik wiederfand. Sie wollte einfach nicht glauben, daß die jeden Morgen über den Bergen aufziehenden dunklen Wolken offenbar zur Inseldekoration gehörten, denn sie sahen sehr bedrohlich aus, regneten jedoch im Hinterland ab, wo die Kaffee- und Bananenplantagen liegen sowie die Cannabis-Kulturen.
    Herr van Dahlen begab sich weisungsgemäß zum Chalet zwecks Ankauf

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