Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Was meinst ihr, soll ich mir die Haare auch mal zu Dreadlocks drehen lassen, oder sieht das nicht cool aus, wenn man blond ist?«
Nachdenklich faltete Florian den Brief zusammen. »Toni erzählen wir aber nichts davon, oder?«
»Natürlich nicht«, sagte Tinchen sofort, »sie würde entweder erwarten, daß Björn sich jeden Abend eine neue Freundin ins Bett holt oder, noch schlimmer, aus unserem Haus eine Disko macht. So ganz wohl ist mir ja auch nicht bei dem Gedanken, den Bengel so lange allein herumwurschteln zu lassen, andererseits ist er alt genug, um zu wissen, was er sich erlauben kann und was nicht. Schließlich will er noch länger bei uns bleiben.«
Florian nickte. »Ich halte ihn sowieso für ein äußerst cleveres Bürschchen.«
»Eben«, bestätigte Tinchen und begann sich die Creme mit Toilettenpapier aus dem Gesicht zu wischen.
»Ist das nicht reichlich unhygienisch?« Zweifelnd betrachtete er die drei Meter lange Papierschlange auf dem Toilettentisch.
»Meine Güte, ich hab's ja vorher nicht benutzt gehabt!« Sie knüllte ein paar Blätter zusammen und schleuderte sie in seine Richtung. Dann musterte sie sich im Spiegel. »Sei ehrlich, Flori, findest du, daß die Beautylotion was genützt hat?«
Er trat hinter sie und schob sein Gesicht neben ihres. »Also – wenn ich ehrlich sein soll …«
»Natürlich sollst du ehrlich sein! Sofern du etwas Positives sagst!« kam es sofort zurück, wobei ihn ihre Augen im Spiegel drohend anblitzten.
»Na ja, dann sage ich eben ganz ehrlich, daß du dir diese ganze Prozedur hättest sparen können!«
»Schuft, elender!« Ehe er sich versah, hatte sie die Blumen aus der kleinen Vase gezogen, die der Roomboy jeden Tag frisch bestückte, und ihren Inhalt kurzerhand vorne in Florians Hemd gekippt. »Und glaub nicht, daß du dir jetzt das Duschen sparen kannst!«
»Du hast mich überhaupt nicht ausreden lassen, ekelhaftes Weib!« schimpfte er, mühsam das durchnäßte Hemd aufknöpfend, »ich wollte doch sagen, daß du diese ganzen Cremes und Lotions gar nicht brauchst, weil du mir auch ohne noch gut gefällst, aber das nehme ich jetzt zurück!« Er warf das zusammengeknüllte Hemd auf den Boden und verschwand im Bad. Bevor er die Dusche aufdrehte, brüllte er noch durch den Türspalt: »Genützt hat diese Pampe in deinem Gesicht überhaupt nichts, jetzt kannst du nur noch hoffen, daß sie wenigstens nichts schadet!«
Als er eine Viertelstunde später ins Zimmer zurückkam, hatte er nicht nur ausgiebig geduscht und die Haare geföhnt, sondern auch noch aus dem restlichen Klopapier eine Rose zusammengedreht und die Ränder mit Lippenstift verziert. »Ich hab den genommen, den du sowieso nur ganz selten benutzt«, verteidigte er sich sofort, »aber weiße Rosen sind häßlich und gehören allenfalls auf den Friedhof. – Noch böse?«
»Und wie!« Sie nahm die ziemlich mißglückte Nachbildung einer Blume gnädig entgegen und steckte sie in die Vase. »Das kostet dich mindestens … warte mal, das war Beleidigung, seelische Grausamkeit, Diskriminierung, Beeinträchtigung meines Selbstwertgefühls, Mißachtung des weiblichen Geschlechts ganz allgemein … Ich würde sagen, die lachsfarbene Bluse im Schaufenster von der Boutique und die dazu passenden Ohrclips, ja?«
»Der Angeklagte bittet um einige Minuten Bedenkzeit, Euer Ehren.« Florian tippte die Codenummer ein, öffnete den im Schrank eingebauten kleinen Tresor und holte seine Brieftasche heraus. »Hm«, meinte er nach einer kurzen Überprüfung, »für die Bluse würde es ja eventuell reichen, aber …«
»In Ordnung!« unterbrach sie ihn sofort, »dann kaufe ich mir die Clips eben selber. Björn braucht ja meine Knopfkiste nicht!« Schmeichelnd sah sie ihn an. »Streckst du mir die paar Mark vor? Du kriegst sie zu Hause auch gleich zurück.«
Florian steckte ein paar Scheine in seine Hosentasche und legte den Rest zurück in den Tresor. »Was hier drin ist, reicht gerade noch für die Trinkgelder! Du wirst wohl deine Mutter anpumpen müssen.« Er drückte die Tür zu, wartete auf das leise Klacken, mit dem das Schloß einrastete, und wandte sich mit einem bedauernden Lächeln an Tinchen. »Es wird höchste Zeit, daß wir nach Hause fahren! Natürlich kann man sich einen schönen Urlaub gönnen und trotzdem mit seinem Geld zurechtkommen – aber nicht in ein und demselben Monat!«
Sie hatte gar nicht mehr hingehört, sondern ihre hellblaue Hose von der Stuhllehne genommen und angezogen. Jetzt stand
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