Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Ungebundensein, sturmfreie Bude und der ganze andere Quatsch, ist doch alles Blödsinn! Ich hab mich noch nie so gelangweilt wie in den letzten anderthalb Wochen! Warum habt ihr nicht angerufen, daß ihr schon auf dem Weg seid? So früh habe ich doch gar nicht mit euch gerechnet, ich wollte Kaffee kochen, den Tisch decken, mein ganz spezielles American breakfast machen …«
»Das kannst du jetzt auch noch«, beruhigte ihn Tinchen, »auf eine Tasse anständigen Kaffee freue ich mich schon seit Stunden. Man sollte wirklich mal analysieren lassen, woraus das Gebräu im Flieger besteht, das sie einem unter der Bezeichnung ›Kaffee‹ servieren.«
Er nickte bejahend. »Ich hab mir auch schon manchmal gedacht, daß die Flugzeugabstürze gar nicht auf technische Defekte zurückzuführen sind, sondern auf Gift. Oder kriegen die Piloten bloß Tee?«
Florian hatte inzwischen das restliche Gepäck hereingeholt und wollte einen Teil davon nach oben bringen. »Laß das stehen, Onkel Florian, ich trag's gleich rauf.« Er zögerte. »Du mußt doch nicht zuerst in dein Arbeitszimmer, oder?«
Der erwiderte, daß er eigentlich einen Abstecher ins Bad vorgehabt hätte, Zähne putzen, duschen – nach einem Nachtflug käme man sich immer etwas zerknautscht vor. In der Zwischenzeit hätte Björn Zeit genug, seinen Besuch diskret loszuwerden.
Der staunte nur. »Welchen Besuch?«
»Keine Ahnung, die große Liebe kann's jedenfalls nicht sein, die tituliert man im allgemeinen nicht mit ›du blödes Vieh!‹«
Erst ging ein verstehendes Grinsen über Björns Gesicht, dann lachte er lauthals los. »Du meinst Omelette?! Den liebe ich zwar, aber nur sporadisch, und im Augenblick würde ich ihm mit Sicherheit den Hals umdrehen – wenn ich ihn denn zu fassen bekäme!«
Tinchen war beruhigt. Es schien sich bei diesem Wesen mit dem merkwürdigen Namen um ein handliches Tier zu handeln, denn ein größeres würde sich kaum vor Björn verstecken können. »Eine Katze?« forschte sie, denn mit denen hatte sie noch nie viel am Hut gehabt, besonders seit sie gelegentlich bei Scotch und Bourbon babysitten mußte; Katzen waren ihr einfach zu snobistisch.
»Nein, ein Papagei«, sagte Björn, immer noch lachend, »ein Ara macao, zumindest hat ihn unser Bio-Pauker als solchen klassifiziert. Ein wunderschönes Tier, nur leider noch etwas unzivilisiert.«
»Und warum heißt er Eierkuchen? Legt er welche?« wollte Florian wissen.
»Er heißt nicht Eierkuchen, sondern Omelette, und zwar deshalb, weil er beinahe eins geworden wäre!« Eigentlich wollte Björn ja in sein Zimmer, sich schnell anziehen und dann Brötchen holen, aber nun ließ er sich doch zu einer Erklärung herab. »Der Vogel ist uns im Internat zugeflogen, schon im letzten Herbst, als überall noch die Fenster offenstanden. Ob's Instinkt gewesen ist oder bloßer Zufall, kann ich nicht sagen, jedenfalls ist er geradewegs in die Küche gesegelt und dort in der Schüssel mit dem Eierkuchenteig gelandet. Die Köchin hat schreiend die Flucht ergriffen und etwas vom Heiligen Geist gefaselt – vielleicht war's ja auch der böse Geist, weiß ich nicht mehr, aber sie ist katholisch, da erscheint die andere Variante glaubhafter –, jedenfalls wäre das arme Vieh in diesem klebrigen Zeug ersoffen, wenn ich es nicht im letzten Moment rausgezogen hätte. Zum Dank hat es mir ja auch ganz gewaltig in den Finger gehackt!« Als Beweis zeigte er die kleine halbmondförmige Narbe am rechten Daumen. »Erst hat unser Hausmeister in einer Ecke vom Hühnerstall einen provisorischen Käfig gebaut, aber da hat der Vogel so einen Heidenkrach gemacht, daß nicht nur die Hühner verrückt geworden sind, sondern auch draußen die Schafe, und als sich nach einer Woche noch immer kein Mensch auf die überall ausgehängten Suchanzeigen und die Zeitungsinserate gemeldet hatte, sollte der Papagei bei nächster Gelegenheit in irgendeinem Zoo abgeliefert werden. Nur hatte der mich inzwischen zu seinem Lebensretter und folglich auch zu so einer Art Ziehvater ernannt, jedenfalls wich er nicht mehr von meiner Seite, oder – genauer gesagt – von meiner Schulter. Ich bin mir schon vorgekommen wie Konrad Lorenz mit seinen Graugänsen, die sind ja auch immer hinter ihm hergewackelt. Na ja, und als es dann soweit war und Omelette in den Zoo gebracht werden sollte, habe ich protestiert und durfte ihn behalten, vorausgesetzt, ich würde einen ›artgerechten‹ Käfig für ihn beschaffen und mich auch sonst um ihn kümmern,
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