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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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ergrauter und vermutlich als absolut integer eingestufter Beamter nicht nur den Zoll, sondern prozentual zur hinterzogenen Einfuhrsteuer auch noch eine angemessene Strafe kassierte.
    Als Florian erfuhr, wieviel er für seine doch so preiswert eingekaufte Ware nachzahlen sollte, hatte er die noch nicht verzollte Flasche Rum zur Seite geschoben und den Beamten empfohlen, sie auf sein Wohl zu leeren. Bei den drei Stangen Marlboro hatte er doch erst gezögert, aber dann hatte er jedes einzelne Päckchen aufgerissen, die Zigaretten in der Mitte abgeknickt und in den herbeigeholten Papierkorb geworfen. Es hatte ihm ja in der Seele wehgetan und seinen Vorsatz, endlich das Rauchen aufzugeben, wieder mal aktiviert, nur war er nicht bereit gewesen, letztendlich mehr für die Zigaretten zu bezahlen, als sie ihn beim Kauf in einem deutschen Supermarkt gekostet hätten.
    Anfangs hatte Tinchen protestieren wollen, dann aber befürchtet, Florians schweigender Zorn könnte möglicherweise in eine verbale Auseinandersetzung mit den grinsenden Zöllnern ausufern, und dabei hätte er bestimmt den kürzeren gezogen; Beamte in Uniform sind allein schon deshalb im Vorteil – meistens jedenfalls! So hatte er das letzte Zigarettenpäckchen auch nur oberflächlich zerdrückt und mit einem Lächeln, das überheblich wirken sollte, weggeworfen.
    »Es ist sowieso nicht meine Marke gewesen!« Draußen hatte er allerdings in allen Tonarten geflucht und Tinchens auch nicht gerade bescheidenes Repertoire an Kraftausdrücken um einige Glanzlichter bereichert.
    Dabei erhöhte sich gerade jetzt sein Nikotinkonsum um täglich mindestens ein Drittel, und das, obwohl er eigentlich das Gegenteil angepeilt und schon ausgerechnet hatte, daß er spätestens Ostern zu den Nichtrauchern gehören würde. Nur hatte er sich vorher nie überlegt, daß Björns neuer Status als Pflegekind eine größere Umstellung bedeuten würde als ein freies Zimmer weniger im Haus und ein Schnitzel mehr in der Pfanne. Sogar gefreut hatte er sich, diesen aufgeweckten Burschen um sich zu haben, mit ihm auch mal über typisch männliche Themen reden zu können, sofern es nicht gerade Fußball wäre, verborgene Interessen oder sogar Talente aufzuspüren … im Klartext ausgedrückt: Ein bißchen von dem nachzuholen, wozu er bei seinem eigenen Sohn wenig Zeit und noch weniger Lust gehabt hatte. Damals hatte der Beruf im Vordergrund gestanden, die sogenannte Karriere, obwohl die sooo doll ja auch wieder nicht gewesen war, frühere Kollegen hatten es viel weiter gebracht, dabei waren sie nicht besser als er – doch was er jetzt an gutem Willen und sogar Geduld aufbrachte, fehlte ihm andererseits an einem überdurchschnittlich stabilen Nervenkostüm. Das noch vorhandene hatte schon am Tag nach ihrer Heimkehr die erste Bewährungsprobe bestehen müssen.
    »Würde es dir viel ausmachen, Onkel Florian, wenn wir heute meine restlichen Klamotten holen? Ich habe doch bloß die beiden Sporttaschen mitnehmen können, weil ich immer eine Hand für den Vogelkäfig gebraucht habe. Allmählich geht meine saubere Wäsche zur Neige, auch wenn ich sie bloß alle drei Tage wechsle, aber ich möchte sie Tante Tina nicht gerade jetzt aufhalsen, wo sie doch genug mit euren eigenen Sachen zu tun hat.«
    Richtig gerührt war Florian gewesen, denn so viel Rücksichtnahme fände man bestimmt nicht häufig bei einem Fünfzehnjährigen, hatte er Tinchen gegenüber geäußert, worauf die nur erwidert hatte: »Noch rücksichtsvoller wäre es gewesen, wenn er selber mal die Waschmaschine angestellt hätte! Zeit genug hat er ja gehabt.«
    Also hatte Florian den Kofferraum seines Wagens bis auf den Reservereifen leer gemacht, die hinteren Sitze nach vorne geklappt und dadurch zusätzlichen Stauraum geschaffen. »Glaubst du, der Platz wird reichen?« frotzelte er in der Annahme, Björn würde ihn für verrückt erklären, denn was sollte ein Fünfzehnjähriger schon mitzubringen haben außer der restlichen Garderobe, den Schulbüchern und ein paar privaten Dingen wie Radiowecker, CD-Player und dem üblichen Wandschmuck in Form von Postern? Richtig neugierig war er auf das, was bei den jungen Leuten zur Zeit ›in‹ war. Er selber hatte seinerzeit für Nadia Tiller geschwärmt und sogar mal ein Kinoplakat geklaut, auf dem sie fast in Lebensgröße zu sehen gewesen war. Das hatte er innen an seine Tür geklebt und sich wochenlang die abfälligen Kommentare seines Bruders Fabian anhören müssen, der sein Zimmer mit

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