Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Julia hatte so lange am Hauptschalter herumgespielt, bis das hübsche orangefarbene Licht ausgegangen war. Damals war sie fünf und überzeugt gewesen, wieder mal etwas kaputtgemacht zu haben, weshalb sie sich vorsichtshalber eine Zeitlang aus dem Verkehr gezogen hatte. Jetzt war sie sechsundzwanzig und Herr Knopp Rentner. »Was meinst du, Flori, ob der noch weiß, wie das geht?«
»Ruf ihn doch mal an!« hatte er vorgeschlagen, und nun saß Herr Knopp am Küchentisch und philosophierte über das Phänomen Feiertagsdefekte. »Da hält so eine Heizung jahre-, ach was, jahrzehntelang, nie ist was dran, und dann, eines Tages, isses soweit. Sie streikt. Aber sie streikt nicht an einem simplen Montag oder Mittwoch, nein, am Sonntagmorgen geht sie aus, oder Silvester …«
»… oder Heilig Abend, wie heute bei uns!« unterbrach ihn Florian, bevor Herr Knopp noch alle gesetzlichen Feiertage aufzählen würde, von den kirchlichen ganz zu schweigen. »Wollen wir jetzt mal in den Keller gehen?«
Nach einem bedauernden Blick zur Wacholderschnapsflasche erhob sich Herr Knopp. »Hoffentlich isses nichts Großes, ich hab ja man gar nicht mehr so richtiges Werkzeug. Vielleicht isse bloß voller Ruß.«
Das allerdings hielt Florian für gänzlich ausgeschlossen. Nicht umsonst erschien einmal jährlich ein Mann vom Wartungsdienst mit einer Art Hebammentasche sowie einem Staubsauger, und wenn er nach einer halben Stunde lautstarken Wirkens wieder abzog, hinterließ er außer einer soliden Staubschicht stets eine Rechnung, die sich in dreistelliger Höhe bewegte. So viel Ruß, wie dieser Mensch als Schmutzzulage notierte, konnte es in einem ganzen Kohlekraftwerk nicht geben!
Herr Knopp begutachtete die Anlage, öffnete den Schlund des stählernen Ungetüms, aus dem es eigentlich orangerot fauchen mußte, was es leider nicht tat, überprüfte Schalter und Hebel, kontrollierte den Wasserzulauf und teilte dem erwartungsvoll zuschauenden Florian mit, daß er nichts finden könnte. »So auf den ersten Blick ist da nichts, und für's Innere müßte ich erst das Wasser ablassen, und dann weiß ich auch noch nicht, ob ich was finde.«
Florian sah sich schon in Friesenfrack und Gummistiefeln durch einen überfluteten Keller stapfen, eine Aussicht, die ihm wenig reizvoll erschien. Wenn schon Überschwemmung, dann wenigstens von jemandem verursacht, den man hinterher regreßpflichtig machen konnte. Herr Knopp dagegen war Rentner und lediglich hilfsbereit. »Irgendwie werden wir die drei Tage schon überstehen«, sagte Florian, »und außerdem hat diese unerwartete Kälteperiode auch ihr Gutes. Unsere potentiellen Gäste werden wir telefonisch vorwarnen, und ich bin überzeugt, sie werden alle absagen.«
»Am besten ziehen Sie vorübergehend ins Hotel!« empfahl Herr Knopp und klopfte im Vorbeigehen an den Heizöltank. »Klingt schon ziemlich hohl.« Da ertönte aus seinem Innern ein Geräusch, eine Art Rauschen, das mit einem dumpfen Platschen endete, und Florian sah mit Entsetzen, wie sich die Nadel des Ölstandmessers langsam nach links bewegte und bei Null stehenblieb.
»Na also«, freute sich Herr Knopp, »da haben wir ja die Ursache! Der Tank ist leer!«
»Aber das kann doch gar nicht sein! Vorhin stand der Zeiger noch auf viertel voll.«
»Das bedeutet gar nichts, die Dinger verklemmen sich manchmal. Ich messe immer mit einem Zollstock nach.«
»Das nützt mir jetzt auch nichts mehr«, bemerkte Florian ganz richtig, »aber können Sie mir vielleicht auch noch sagen, wo ich am Heiligen Abend um halb elf Uhr vormittags Heizöl herkriege?«
Das konnte Herr Knopp nicht, und deshalb verabschiedete er sich auch sehr schnell, bevor er möglicherweise Gefahr laufen würde, aus lauter Nächstenliebe seinen eigenen, gutgefüllten Heizöltank anzapfen zu müssen.
Mit zunehmender Dringlichkeit eines Problems sinkt die Zahl der dafür Zuständigen! Das merkte Florian, als er wieder in der Küche stand und Tinchen darüber informierte, daß nicht die Heizung kaputt, sondern der Öltank leer war. »Wo kriege ich heute noch welches her?«
»Das ist dein Problem, nicht meins. Mein Zuständigkeitsbereich endet bekanntlich an der Kellertür.« Nicht umsonst hatte sie kurz nach dem Einzug darauf bestanden, daß die Verantwortung für Instandhaltung und Funktionieren des Hauses geteilt würde. »Du kümmerst dich um alles, was außerhalb des Wohnbereichs liegt, also Dachboden, Keller, Garten und Garage; der Rest ist mein Revier.« Damit war
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