Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
zu ihnen. »Am liebsten würde ich den Jungen zu uns nehmen, bis seine Eltern aus Brunei zurückkommen, aber das kann ich ihm nicht zumuten. Gisela würde ihm das Leben zur Hölle machen!«
    »Dann hau doch mal mit der Faust auf den Tisch!« empfahl sein Bruder. »Kannst du dich denn überhaupt nicht durchsetzen?«
    »Darum geht es doch gar nicht. Selbstverständlich würde sich Gisela niemals weigern, ihren Enkel aufzunehmen, doch sie würde ihn jeden Augenblick spüren lassen, daß er ein störendes Element ist. Nicht mit Worten natürlich, sie wäre höflich, distanziert und – kalt.« Seine Worte bekräftigte er durch mehrmaliges Kopfnicken. »Der Junge braucht aber Liebe, Anteilnahme, Familie – alles das, was ihm auch das beste Internat nicht geben kann, wobei ich ohnehin bezweifle, daß dieser Öko-Tempel im Sauerland der Weisheit letzter Schluß ist. Wenn ich Björn richtig verstanden habe, sind die meisten Kinder in der dortigen Gegend zu Hause, verbringen nur die Wochentage im Internat und fahren freitags heim beziehungsweise werden abgeholt, denn allem Anschein nach liegt diese Anstalt irgendwo am Ende der Welt. Es ist doch nur verständlich, daß sich ein Fünfzehnjähriger fast zu Tode langweilt, wenn er zusammen mit einigen durchweg älteren Schülern und einer pädagogischen Notbesetzung die Wochenenden mit Schweinefüttern und Blaubeersammeln verbringen soll.«
    »Der arme Kerl«, sagte Tinchen leise, »davon hat er ja gar nichts erzählt.« Dann blieb sie stehen und sah Florian durchdringend an. »Könnten wir denn nicht …? Ich meine, du hättest ja gar nichts damit zu tun«, beteuerte sie eilig, »das wäre allein meine Sache, und ob ich nun ein paar Jeans mehr in die Waschmaschine schmeiße und ein drittes Schnitzel in die Pfanne lege, spielt doch auch keine Rolle. Und wenn du glaubst, daß dann mein Haushaltsgeld nicht ausreicht, so bin ich überzeugt, daß Urban für Björns Unterhalt aufkommen würde. Ich weiß ja nicht, was so ein Internat kostet, aber bestimmt viel mehr, und …« Der Rest ging unter, weil Florian ihr den Mund zuhielt und sie plötzlich lauter Fusseln vom Handschuh zwischen den Zähnen hatte. »Bist du jetzt mal einen Augenblick lang ruhig?« Langsam nahm er seine Hand wieder weg.
    »Pfui Deibel!« spuckte sie, »das Zeug klebt ja ekelhaft! Muß Polyester oder sowas sein.« Mit spitzen Fingern entfernte sie die letzten Fasern von den Lippen. »Wo hast du bloß diese Handschuhe her? Vom Wühltisch?«
    »Nee, die hat irgendwer in der Redaktion liegenlassen.«
    »Der wird gewußt haben, weshalb! – Gib mir mal ein Taschentuch!«
    Florian hatte keins, aber Fabian konnte aushelfen. »Sogar aus Stoff«, staunte Tinchen. »Außer Mutti und Frau Ka-Ka kenne ich niemanden, der die noch benutzt.«
    »Dann darfst du es sogar behalten!«
    »Danke. Ich werde es zu den anderen Altertümern in meine Nostalgie-Schublade legen.« Sie wandte sich wieder an Florian. »Und was nun die Sache mit Björn …«
    »Meinst du nicht, daß wir darüber in Ruhe reden sollten und nicht hier, wo mir bereits die Füße anfrieren und über dem Rhein eine Fata Morgana dampfende Groggläser vorgaukelt? Hörst du denn nicht die Holzscheite im Kamin knistern, siehst du nicht den Kerzenschimmer vom Weihnachtsbaum …«
    »… und die Sportschau im Fernsehen?« ergänzte Fabian.
    »Meine Güte, warum sagt ihr nicht gleich, daß ihr umkehren wollt! Will ich doch selber!« Die Hände wie einen Schalltrichter an den Mund gelegt, brüllte sie los: »He, ihr da vorne, die ganze Kompanie kehrt, marsch!«
    Niemand protestierte. Sogar die Kinder hatten es inzwischen aufgegeben, aus den schwärzlichgrauen Resten Schneebälle zu formen und den Sieger im Weitwurf zu ermitteln. »Nu kriegen wir aber Kakao?« vergewisserte sich Tim, denn nach seiner Erfahrung endete ein winterlicher Spaziergang, egal ob mit oder ohne Schnee, immer mit heißem Kakao und Schlagsahne.
    Den Rest des Weges verbrachte Tinchen mit der Überlegung, wo um alles in der Welt sie jetzt Kakaopulver herkriegen sollte. Ihres war nämlich alle.
    »Wer das Wort geprägt hat:
Wo
Rauch ist, ist auch Feuer,
kann nie einen offenen Kamin besessen haben!« krächzte Karsten zwischen zwei Hustenanfällen. »Wann hat der das letztemal gebrannt? Silvester einundneunzig?«
    »Vor zwei Tagen!« Florian nahm seinem Schwager den Feuerhaken aus der Hand und schob die qualmenden Holzscheite auseinander. »Allerdings mache ich vorher immer die Lüftungsklappe auf!« Er

Weitere Kostenlose Bücher