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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Lebhaftigkeit gut erzogen sind, und das ist heutzutage kaum noch der Fall. Erziehung ist bei der heutigen Elterngeneration nicht mehr – wie heißt das doch gleich? – in. In meiner Nachbarschaft habe ich viele Kinder aufwachsen sehen, kannte sie vom Säuglingsalter an und konnte beobachten, wie sie sich veränderten. Erst haben sie mir noch stolz das erste Schulzeugnis gezeigt, und ein paar Jahre später haben sie auf der Straße nicht mal mehr gegrüßt. Heute als Erwachsene tun sie's wieder«, sie nickte bekräftigend, »doch dafür vergessen es jetzt ihre eigenen Kinder.
Ich
dagegen liebe das Althergebrachte. Deshalb habe ich Ernestine auch immer ermahnt: ›Kind‹, habe ich gesagt, ›bewahre bloß deine guten Manieren. Das kommt alles einmal wieder!‹«
    Katrin lachte. »Wissen Sie, daß ich jeden Abend bete: Lieber Gott, gib mir die Weisheit, meine Kinder so zu sehen, wie sie anderen Leuten erscheinen? Wenn sie wollen, können sie sich zwar benehmen, nur wollen sie leider viel zu selten.«
    »Ich glaube, das liegt alles nur an der Inkonsequenz der Eltern. Bei der Kindererziehung muß man konsequent sein.«
    »Und wie soll man das machen?« schaltete sich Tinchen ein, »Kinder tun doch nie zweimal dasselbe!«
    Frau Antonie ließ sich nicht beirren. »Die jungen Mütter von heute sollten doch eigentlich viel mehr Zeit für ihre Kinder haben als wir damals.
Wir
hatten noch keinen Wasch- oder Bügelautomaten und keine Spülmaschine, es gab keine Pampers, keine fertigen Baby-Menüs und keine Mikrowelle –
ich
habe noch Windeln mit der Hand gewaschen und das Gemüse durch ein Haarsieb passiert. Was glaubt ihr denn, wie zeitaufwendig das alles gewesen ist? Wenn
ihr
heute von einem schnellen Essen sprecht, dann denkt ihr an ein gegrilltes Hähnchen. Zu meiner Zeit war es eins, das man nicht mehr selber umbringen mußte.«
    »Mutti, jetzt übertreibst du aber!« Tinchen versuchte sich vorzustellen, wie ihre Mutter mit erhobenem Beil in der Hand hinter einem flatternden Huhn herlief. »Du hättest doch mehr Angst gehabt als das Vieh. Erzähl mir nicht, daß du jemals eigenhändig ein Huhn gekillt hast!«
    »Na ja«, gab sie zu, »ich nicht, aber deine Großmutter!«
    Plötzlich war vor der Tür ein Quietschen und Kratzen zu hören, das niemand so recht zu identifizieren vermochte, bis das Geräusch mit einem lauten Mißklang endete. »Ich habe mich schon gefragt, wann Rüdiger loslegt«, seufzte Katrin, sich die Ohren zuhaltend, »aber man sollte doch annehmen, daß er's inzwischen ein bißchen besser kann.«
    Das entnervende Gejaule setzte wieder ein, diesmal schon etwas länger und vor allem lauter. »Aufhören!« tönte es aus dem Garten, wo die Raucher, in Daunenjacken gehüllt und von einem Fuß auf den anderen tretend, heroisch der Kälte trotzten und ihre Nach-dem-Kaffee-muß-das-einfach-sein-Zigarette rauchten, »nehmt dem Kerl die Tröte weg und erschlagt ihn damit! Das ist ja nicht zum Aushalten!«
    Wieder quiekte es los. »Ruhe!«
    Von der Treppe her brüllte Tanja: »Wenn Opa das Ding losläßt, 'leicht hört's dann auf?!«
    Tinchen stürzte zur Tür, und wer stand mitten auf dem Flur, hielt das Instrument umklammert und pustete mit aller Kraft in das Mundstück, während Rüdiger sich vergeblich bemühte, mit Hilfe des Posaunenzugs das mißtönende Quietschen in halbwegs klangreine Töne umzuwandeln? »Flori, bist du wahnsinnig geworden? Wer soll denn das ertragen?«
    Er setzte das Instrument ab und grinste sie an. »Das war eine moderne Komposition, da merkt doch sowieso niemand, wenn man sich beim Spielen ein bißchen vertut.«
    »Darf ich auch mal, Onkel Rüdiger?«
    »Nein!« sagte der, doch Matthias hatte schon halbherzig zugegriffen, Florian zu früh losgelassen, und prompt fiel der untere Teil der Posaune auf die Fliesen. Entgeistert starrte Matthias auf den Schalltrichter zu seinen Füßen und dann auf das übriggebliebene Rohr in seiner Hand. Schließlich heulte er los: »Das war ich aber nicht allein! Da ist schon vorher was kaputt gewesen, sonst wäre es ja nicht einfach so rausgefallen …«
    Alarmiert durch das Klirren und Scheppern, doch in erster Linie durch Matthias' Geschrei, das zumindest bei Frau Klaasen-Knittelbeek sofort die Assoziation von Treppensturz, Notarzt und Krankenwagen ausgelöst hatte, versammelten sich alle im Flur. Oder versuchten es wenigstens. Frau Klaasen-Knittelbeek, die sich nur zögernd von dem endlich eroberten Lehnstuhl getrennt hatte, kam als letzte und konnte

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