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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Kinderfeste brauchte. Sicher stammten sie noch von Tims Geburtstag, den diesmal Ernestine ausgerichtet hatte. Sie, Antonie, war später hinzugekommen und hatte natürlich, wie sich das gehört, eins ihrer ›guten‹ Kleider angezogen. Keine fünf Minuten hatte es gedauert, dann hatte Schlagsahne am Rock geklebt und am Ärmel eine rosa Masse, die wie Schaumstoff ausgesehen hatte und später von Pavla vorsichtig mit dem Messerrücken abgekratzt werden mußte. (Entgegen Frau Antonies Meinung waren die Schokoladenfiguren allerdings kein Überbleibsel von Tims fünftem Geburtstag gewesen, sondern von seinem dritten, und daß der normal dunkelbraune Farbton bereits etwas ins Weißliche übergegangen war, hatte sie ohne Brille nicht bemerkt; Tinchen schon, doch sie hatte nichts gesagt, sondern die Figuren nur etwas tiefer in den Pudding gesteckt. Gesundheitliche Schäden hatte es übrigens bei niemandem gegeben!)
    »Sag mal, Mutsch, woraus hast du denn den Kakao gezaubert?« Staunend sah sie zu, wie ihre Mutter die dampfende Flüssigkeit in die großen Becher goß und mit einem Berg Schlagsahne krönte. »Und wie das duftet … Läßt du mir einen Schluck übrig?«
    »Weißt du, Kind«, sagte Frau Antonie lächelnd, »wenn man wie ich zur Kriegsgeneration gehört, dann verlernt man das Improvisieren niemals! Du hast ja keine Ahnung, woraus wir damals etwas Eßbares zusammengerührt haben, das auch noch nach irgend etwas schmecken sollte. Ich erinnere mich noch an das Weihnachtsfest sechsundvierzig …«
    »Ich weiß, Mutti, aus Mehl, Glutadingsbums und Majoran hast du einen Brotaufstrich gemacht, der angeblich beinahe wie Gänseschmalz geschmeckt haben soll. Wahrscheinlich deshalb, weil niemand mehr wußte, wie richtiges schmeckt. Aber jetzt sag mir endlich, woraus dieser Kakao besteht? Der ist nämlich besser als jeder, den
ich
koche.« Mit dem Handrücken wischte sie sich den Schlagsahnebart ab.
    »Aus geschmolzener Schokolade«, schmunzelte Frau Antonie, »ich habe sie von den ganzen Bunten Tellern abgeräumt, doch ich glaube kaum, daß es jemandem auffallen wird. Da liegt sowieso zu viel drauf.«
    »Den Tip muß ich mir merken!«
    »Kauf lieber neuen Kakao!« Sie stellte den Topf zurück auf den Herd. »Und jetzt ruf die Kinder, sonst wird er wieder kalt!«
    Die ließen sich das nicht zweimal sagen, stürmten mit juhu die Küche, wollten kein Tiramisu, keinen Obstsalat, lieber die übriggebliebenen Spätzle, kalt natürlich, dazu Himbeersaft, wenn's ginge, aber wenn nicht, dann wäre es auch nicht schlimm, und ob Tante Tina Kartoffelchips hätte. Tante Tina hatte welche, wollte sie aber nicht rausrücken, weil die nun wirklich nicht zu Kakao und Spätzle paßten, worauf Tim in Protestgeschrei ausbrach und erklärte, er könne sie auch selber holen, schließlich wisse er ja, wo sie seien.
    »Warum benimmst du dich so garstig, Tim?« Ganz sanft klang Frau Antonies Stimme. »Du weißt doch, unartige Kinder holt der böse Wolf. Du brauchst nur an Rotkäppchen zu denken!«
    »Da hat der Wolf aber erst die Großmutter geholt!« stellte Michael richtig.
    »Touché!« sagte Tinchen nur, und dann fing auch Frau Antonie an zu lachen.
    »Ihre Jungs sind wirklich zwei Prachtexemplare«, versicherte sie wenig später Katrin, als sie beide nebeneinander auf dem Rattansofa saßen, mit Todesverachtung das Fernsehzeitungsdessert löffelten und zusehen mußten, wie sich Frau Ka-Ka schon zum zweitenmal vom Tiramisu bediente. Sie habe bei der Herstellung ihrer Nachspeise so viel davon gekostet, erzählte sie augenzwinkernd, daß sie jetzt gern auf den Genuß verzichten würde. Außerdem habe sie zu Hause im Kühlschrank noch ein Schüsselchen mit dieser Festtagscreme deponiert.
    »Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als dieses Schüsselchen versehentlich fallenzulassen«, flüsterte Frau Antonie entnervt. »Ich wünschte wirklich, Frau Klaasen-Knittelbeek würde ihre Talente nicht ausgerechnet in der Küche beweisen müssen! Mit einer Ausnahme vielleicht: Sie kann ganz hervorragend Torten dekorieren, aber das liegt wohl daran, daß sie eine künstlerische Ader hat. Jedenfalls zeichnet sie entzückende Aquarelle.«
    Während Katrin sich eine Sahnetorte mit dem Abbild einer Blümchenwiese vorzustellen versuchte oder auch mit dem Kirchlein St. Bartholome am Königssee, ebenfalls beliebtes Motiv vieler Hobbymaler, kam Frau Antonie auf den Beginn ihres Gesprächs zurück. »Mir ist aufgefallen, Frau Bender, daß Ihre Kinder bei aller

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