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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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mein Land ist meine Heimat und ich liebe es immer noch, und wenn es mir irgend möglich ist, möchte ich ihm nach meinem Studium von Hilfe sein. Wie das? Ich möchte, zusammen mit meinen Altersgenossen, gleichberechtigt am Aufbau meines Landes teilnehmen. Ich weiß nur nicht, wie das gehen soll, wenn wir nicht alle dieselbe Ausgangssituation haben.
    Ich bitte Sie, uns dabei zu helfen! Geben Sie uns die Gelegenheit, uns vor unserem Vaterland zu beweisen, denn wir werden niemals die Hand gegen unser Vaterland erheben oder es im Stich lassen. Ich fordere keine großen Dankbarkeitsgesten von Ihnen, schon ein bisschen Achtung und Anteilnahme, eine kleine Hilfe würden ausreichen. Ich bitte Sie, mir bei der Lösung eines großen Problems behilflich zu sein, und nun komme ich zum eigentlich Punkt: unsere Wohnungssituation. Bitte beeilen Sie sich. Ich möchte so schnell wie möglich mein Studium beenden, aber unter diesen Bedingungen kann ich das Lernen vergessen (im Gymnasium habe ich sehr gute Noten). Wir sind ratlos und wissen nicht, wie wir unser Recht geltend machen können, denn Frau S.K. vom Verteidigungsministerium, die sich um die Wohnungsanträge kümmert, behauptet felsenfest, dass es keinerlei offizielle Kriterien für eine Wohnungsvergabe gibt. Unseren Antrag haben wir bereits 1991 gestellt.
    Es ist schwer, in diesem kleinen Zimmer in Kumrovec zu leben, wir haben einen Tisch, drei Betten und drei Herzen, die weiter beständig klopfen und auf Ihre Hilfe hoffen. Und ich befürchte, dass Sie unsere allerletzte Hoffnung sind. Bitte lassen Sie nicht zu, dass wir nach unserer Vertreibung aus Vukovar nun wegen Platzmangel auch aus Kroatien vertrieben werden, das wäre doch zu banal, nicht wahr? Die kroatische, unser aller hellstrahlende Sonne, die Übersonne unseres Vaterlandes muss doch auch für uns ein bisschen Platz und ein paar Sonnenstrahlen übrig haben! Es wäre für mich am schlimmsten, wenn ich ins Ausland gehen und mein Brot in einer fremden Welt verdienen müsste, damit meine Schwester und meine Mutter überleben und in Kroatien etwas zu essen haben.
    Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie meinen Brief zu Ende gelesen haben, und bitte verzeihen Sie, falls ich zu viel von Ihrer kostbaren Zeit in Anspruch genommen haben sollte. Ich habe den Eindruck, dass das hier der ehrlichste Brief ist, den ich je geschrieben habe.
    Vielen Dank im voraus, hochachtungsvoll,
     
    J. B.
    Sammelunterkunft HV , p.p. 21
    41295 Kumrovec
     
    Mir war durchaus klar, dass mein Bruder schlau war, aber dass er einen solchen Brief schreiben und sich so etwas ausdenken konnte, das hatte ich nicht vermutet. Ich war mir sicher, dass wir sofort eine neue Wohnung bekommen würden, falls unser Präsident den Brief zu Gesicht bekommen sollte. Ich las den Brief wieder und wieder, unzählige Male, bis ich ihn fast auswendig konnte. So stolz war ich.
     
    *
     
    Igor sah ich das erste Mal im Discoclub Oase . Das war kurz nach der Zeit, in der Marina und ich vormittags in ihrem Zimmer mit Barbiepuppen spielten und nachmittags Kerzen für den verstorbenen Kurt Cobain anzündeten. An dem Tag, an dem er sich das Leben genommen hatte, schrie Marinas zwei Jahre ältere Schwester hysterisch, weinte unaufhörlich und warf uns aus dem Zimmer hinaus. Wir verstanden damals, dass wir im Vergleich zu ihr noch Kinder waren, die keine Ahnung von ihrem Schmerz hatten. Aber was wir sahen, faszinierte uns auch, wir entdeckten durch sie eine neue Welt, an der wir teilhaben wollten. Über Stunden hinweg spulten wir die Kassette wieder und wieder zurück, fragten uns aber nicht ein einziges Mal, was eigentlich Come as you are heißt, es war nur wichtig, alle Wörter auswendig zu kennen, die Aussprache war mehr oder weniger egal. Das waren unsere ersten Schritte in Richtung Erwachsenwerden.
    Wir klopften nicht mehr an, wenn wir in das Kabinettszimmer Nummer 7 gingen, und die Sache mit Damir hatte sich schnell abgekühlt. Hier hatte er mir um die Osterfeiertage herum an einem Nachmittag die Zunge in den Mund zu stecken versucht und roch dabei nach Knoblauch. Außerdem mochte er Tony Cetinski und DJ Bobo und trug hässliche Klamotten von WGW. Noch zu Neujahr hatte ich mit ihm eng umschlungen zu Die Liebesflamme getanzt, doch inzwischen fanden wir den Song furchtbar, jetzt summten wir, während wir unser Haar frisierten, die Zeilen von Ach was soll ich nur machen vor uns hin. Die Kleidung von der Caritas empfanden wir nicht mehr als Demütigung, wir fanden dort hin

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