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Hotel Nirgendwo - Roman

Hotel Nirgendwo - Roman

Titel: Hotel Nirgendwo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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das mittlere Mädchen, versuchte gerade auf einem der Sessel zu reiten, als sie uns erblickte, hielt sie inne und sagte mit ihrer weichen Stimme: »Mann, seid ihr aber hässlich.« Wir gingen weiter, ohne uns umzudrehen, der Abendwind fühlte sich gut an. In der Ferne hörten wir jemanden singen. Es war ein Lied, das wir alle kannten: »Es ist besser, betrunken zu sein, viel besser, betrunken zu sein, besser betrunken als alt.«
    Ich konnte in der Dunkelheit der Disco Igor nicht finden, vom Rauch und dem ständigen Stieren taten mir schon die Augen weh, und ich machte mich auf den Weg nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Plötzlich spürte ich eine sanfte Berührung auf meinem Rücken, und als ich mich umdrehte, stand er vor mir. Er lächelte und sagte »Hallo«. – »Gehst du raus?«, fragte er und sah mir in die Augen. – »Ja, der Rauch stört mich ein bisschen.« Wir gingen ein paar Meter und setzten uns auf ein Mäuerchen. – »Ich habe dich letzten Samstag hier gesehen«, sagte er. Igor lächelte und schaute mich an, er meinte tatsächlich mich, sein Lächeln galt mir allein, ich konnte es gar nicht glauben und versuchte krampfhaft, irgendetwas zu sagen. »Ja, ich war da, ist super hier, nur die Musik ist ein bisschen blöd.« Drinnen wurde gerade »Coco Jumbo« gespielt. – »Ja, stimmt, der DJ ist ein Freund meiner Schwester, er muss immer diesen ganzen Mist auflegen, aber ab vier kommt gute Musik wie Azra und Psihomodo Pop.« Ich konnte nur davon träumen, eines Tages bis vier Uhr morgens auszugehen, aber auch so war ich ganz zufrieden, er war da, ich konnte ihn aus der Nähe ansehen, er lächelte, nur für mich. »Soll ich dir etwas bringen? Ein Bier?« – »Ginge auch ein Wodka-Lemon?«, fragte ich und hörte im gleichen Moment die vertraute Stimme meines Bruder hinter ihm. Ich hasste meinen Bruder und war mir sicher, dass er nur nach draußen gekommen war, um zu sehen, was ich machte und um mich zu blamieren. Ich wusste, er würde etwas Blödes sagen. »Mama wartet auf dich, mach, dass du nach Hause kommst. Oooh, wer ist das denn, ich dachte, du sitzt hier mit einer Freundin. Man weiß ja gar nicht mehr, wer ein Mädchen und wer ein Junge ist.« Er lachte und lief an uns vorbei. Mir war das sehr unangenehm, und als Igor mit den Getränken zurückkam, trank ich zum ersten Mal auf ex. Dann bemerkte ich seinen erstaunten Blick und sein Lächeln und sagte: »So trinke ich am liebsten.« – »Bist gut drauf, was?«, sagte er. – »Ich muss leider gehen«, sagte ich flüsternd, und als er mir anbot, mich zu begleiten, hatte ich das Gefühl, ich würde ohnmächtig werden. Der Weg war viel zu kurz, und als er meine Hand nahm, dachte ich, der Boden würde sich drehen. Ich sah nach unten, es war mir unangenehm, ihm in die Augen zu sehen, ihn anzulächeln, und außerdem war mir ein bisschen schlecht. Wir blieben vor der Politikschule stehen, und er kam etwas näher an mich heran. Ich hatte mich noch nicht zurechtgefunden, da spürte ich schon seine Zunge in meinem Mund. Es war warm und feucht, es war das Aufregendste und Ekligste, was ich bis dahin erlebt hatte. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte, wohin mit meiner Zunge, keiner hatte mir das je erklärt, und ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir an diesem Abend so weit gehen würden. Als er zurücktrat, war ich noch wie betäubt, und er fragte mich, ob er mich anrufen dürfe. »Ja«, sagte ich, »wenn sich jemand an der Rezeption meldet, musst du 385 Lokal verlangen.« – »Lokal, was ist das denn?«, fragte er erstaunt. – »Das ist mein Zimmer«, sagte ich, »der Raum, in dem ich lebe.«
     
    *
     
    Das Aufwachen war diesmal noch schlimmer als das letzte Mal. Željkas Mama war schon weg und meine ging nervös im Zimmer umher. Mit halb geöffneten Augen schaute ich ihr zu, sie reinigte mit großem Eifer die kleine Kochplatte, die schon längst blitzblank strahlte, und dann fiel mir ein, dass mein Onkel sich für diesen Tag angekündigt hatte. Es schien mir sehr früh zu sein, niemand verlangte von mir, dass ich frühstücken ging, also stellte ich mich noch eine Weile schlafend. Als Mama mit dem Saubermachen fertig war, setzte sie sich mir gegenüber, atmete tief durch und sah auf ihre Armbanduhr. Seitdem wir aus Vukovar rausgekommen waren, hatte sie die Uhr nie abgenommen, auch nachts nicht, sie lockerte nur manchmal das Armband ein bisschen. Die Uhr war ein Geschenk von der Frau meines Onkels, einer Deutschen, die kein Wort

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