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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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erlebt gerade jetzt schon eine Überraschung.« Sie fuhren die N100 entlang und dann in die Berge hinauf. Neben einem hohen Zaun hielt Nicole an, und sie gingen durch zwei Tore, die schief in den Angeln hingen. Vor ihnen erstreckte sich ein ein bis zwei Hektar großes Grundstück, das immer noch reifbedeckt war und trotz des Sonnenlichts gespenstisch-düster wirkte. Es sah aus, als habe ein wenig auf Ordnung bedachter Riese hier gewütet, ein Dorf demoliert und die Überbleibsel achtlos über die Schulter geworfen — Haufen alter Balken, behauene Steinblöcke von Kleinwagengröße, Säulen, Öfen, Dachziegel, Mühlsteine, riesige verschnörkelte Badewannen, eine komplette Treppe, die an einer Scheune lehnte, mannsgroße Urnen aus Terrakotta. All das lag mehr oder weniger ramponiert und verwittert zwischen Unkraut und Dornensträuchern. Nicole führte Simon an einer zerbrochenen, nasenlosen Nymphe vorbei, die auf dem Rücken lag und ihren flechtenüberwucherten Busen züchtig mit den Händen bedeckte.
    »Was ist das hier?«
    »Eine casse. Ist es nicht zauberhaft? Mit diesen Dingen kann man ein neues Haus ausstatten, das dann gleich zweihundert Jahre älter aussieht.« Plötzlich blieb Nicole stehen und sah sich um. » Merde, ich finde sie nicht mehr. Wo ist sie bloß?«
    »Was suchen wir eigentlich?«
    »Ah, voilà. Da drüben hinter den Balken.«
    Es war eine große Statue, eine Nachbildung des Manneken-Pis in Brüssel, ein pausbäckiger Knabe, der nachdenklich in ein rundes Steinbecken urinierte. Selbstvergessen und zufrieden hielt seine dickliche Steinfaust einen Penis aus altem Kupferrohr.
    Nicole klopfte gegen das Kupfer. »Das hier, denke ich, ist vielleicht etwas zu offensichtlich, aber Fonzi kann das in Ordnung bringen.« Sie trat zurück und lächelte Simon fragend an. »Na?«
    Simon lachte, während er die Statue von allen Seiten begutachtete und ihr den Po tätschelte. »Er gefällt mir. Ernest wird begeistert sein. Ich weiß genau, worauf er den Scheinwerfer richten wird.« Er legte ihr einen Arm um die Schulter. »Du bist wirklich ein schlaues Mädchen. Ich kann’s kaum erwarten, sein Gesicht zu sehen.«
    Sie schlenderten eine halbe Stunde durch diesen Gerätefriedhof, suchten ein paar Tröge und Töpfe für die Hotelterrasse aus und fanden das behelfsmäßige Büro des Besitzers in einer Ecke der Scheune. Mit großem Interesse beobachtete Simon, wie Nicole feilschte; sie erkundigte sich nach mehreren Gegenständen, die sie gar nicht kaufen wollte, zuckte dann zusammen, als sie die Preise erfuhr, und schüttelte den Kopf. »Reich müßte man sein«, sagte sie bedauernd zu dem Besitzer. »Und der alte Springbrunnen, was kostet der?«
    »Ach, der.« Das Gesicht des Mannes mit der Wollmütze nahm einen sentimentalen Ausdruck an. »Der Springbrunnen meiner Großmutter. Ich bin damit aufgewachsen. An dem hängt mein Herz.«
    »Ich verstehe, monsieur. Manche Dinge sind einfach unbezahlbar.« Sie zuckte mit den Schultern. »Tja, schade.«
    »Achttausend Franc, madame .«
    »Und in bar?«
    »Sechstausend.«
     
    Als sie gegen Mittag zum Haus zurückkehrten, gab Ernest unter den gestrengen Augen von Madame Pons soeben der Tafel den letzten Schliff.
    »Denken Sie daran, Ärnest, Blumen sind fürs Auge, nicht für die Nase. Wenn sie zu stark duften, stören sie den Genuß beim Essen«, mahnte sie und nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas.
    »Sie haben ja so recht, meine Liebe. Gerade bei Fresien.« Ernest trat zurück, begutachtete stirnrunzelnd die Tafel, und als er zu dem Schluß gekommen war, daß es gut so war, holte er eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank. »Das Menü des Tages«, verkündete er, »besteht aus einer Auberginenterrine mit einem coulis aus frischen Pfefferschoten, gebratenem Heilbutt mit einer Sauce aus zerlassener Butter und fines herbes, les fromages maison und heißen crêpes, gefüllt mit kalter Wodka-Sahne.« Er schenkte Nicole und Simon ein, dann füllte er sich selbst ein Glas und prostete Madame Pons zu. »Madame ist ein Goldstück.« Verwundert sah sie ihn an. »Un bijou.« Sie strahlte.
    Um halb eins nahmen sie an der Tafel Platz, wo sie drei Stunden später immer noch saßen und eine letzte Tasse Kaffee tranken. Madame Pons hatte triumphiert, und das in einer fremden Küche. Durch den Wein und die Komplimente wurde sie leutseliger und gesprächiger und gab Ernest von Zeit zu Zeit einen Klaps, wenn er mit seinen Schmeicheleien etwas zu weit ging. Ihr bebendes Lachen ließ ihr

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