Hotel Pastis
meisten Standbesitzer kannten sie und priesen wortreich ihre Produkte an, hielten ihr Salatköpfe und Käse zur Begutachtung hin, als seien es Kunstwerke. Doch sie sagte wenig, gab entweder unter Kopfschütteln ein mißbilligendes Zungenschnalzen von sich oder nickte, ehe sie weiterging. Sie überließ es Simon und Ernest, die von ihr ausgewählten Waren entgegenzunehmen. Nach knapp zwei Stunden waren die beiden mit Plastiktüten schwer beladen, und Madame schien zufrieden. Sie stieg in Nicoles Auto, und die beiden Männer fuhren ihnen nach.
»Was halten Sie von ihr, Ern?«
Ernest saß am Steuer und schwieg, während er einem Hund auswich, der sich mitten auf der Straße kratzte. »Wenn sie so gut kocht, wie sie einkauft... haben Sie bemerkt, wie sie den Mann an diesem Fischstand angesehen hat? Ein vernichtender Blick. Ich finde sie recht sympathisch, muß ich sagen. Rubens hätte sie angehimmelt.«
»Ja, sie hat einiges zu bieten. Ist Ihnen aufgefallen, wie sie den Sekt runtergekippt hat?«
»Ach, ich würde keinem Koch trauen, der nicht gern ein Gläschen trinkt. Das macht sich gut beim Kochen, wissen Sie.« Gerade hatten sie die Innenstadt von Avignon verlassen, als sie schon von weitem am Straßenrand ein Mädchen in hohen Stiefeln und einem superkurzen Minirock sahen, das sich über den Motorraum seines BMW beugte und dem herankommenden Verkehr ihr Hinterteil entgegenreckte. Ernest drosselte die Geschwindigkeit. »Meinen Sie, wir sollten ihr behilflich sein?«
Simon lachte. »Ern, das ist ein leichtes Mädchen, eine Prostituierte. Sie steht hier jeden Tag. Nicole hat es mir gesagt.«
Die Sonne war aufgegangen, und die reifbedeckten Felder und Obstgärten, einst Privatbesitz der Päpste von Avignon, glitzerten im Licht. Es würde ein Bilderbuchtag werden: ein klarer, blauer Himmel, ein glückverheißendes Wetter.
Sie versammelten sich in den Gewölberäumen, in denen die künftige Hotelküche und das Restaurant untergebracht werden sollten. Vorläufig hatten diese jedoch Fonzi und seine Männer in Beschlag genommen; sie durchbrachen gerade die dicken Steinmauern, um hohe Bogenfenster herauszuschlagen. Staubwolken hingen in der Luft, und der Preßlufthammer knatterte unbarmherzig. Madame Pons zog ihren Umhang etwas fester um die Schultern und trippelte auf Zehenspitzen durch den Schutt zur Küche.
Mitten im Raum blieb sie stehen und sah sich um. Im Geiste stellte sie die Backöfen, Brenner und Arbeitstische, die Kühlschränke, Geschirrspüler und die Regale für die Töpfe auf. Sie schritt die Raummaße ab, schätzte die Höhe der Decke, studierte den Durchgang zum Eßzimmer. Schweigend sahen die anderen zu, wie sie mit majestätischer Gemessenheit auf und ab schritt. Schließlich blickte sie sie an und nickte.
»Es müßte gehen. Ein bißchen klein, aber es müßte gehen.« Mit einem erleichterten Lächeln geleiteten sie Madame Pons durch das Eßzimmer und die Treppe hinauf, ohne zu bemerken, daß der kleinste der Maurer Madame mit bewundernden Blicken bedachte. Er wartete, bis sie außer Hörweite waren, dann wandte er sich an Fonzi.
»Elle est magnifique, non?« sagte er und unterstrich seine Worte mit einer heftigen Schüttelbewegung der Hand. »Un bon paquet.«
Fonzi grinste. »Immer die Großen, was, Jojo? Bei der würdest du doch untergehen.«
Der kleine Maurer seufzte. Eines schönen Tages, wenn die Sache mit dem Bankraub klappte, konnte er sich einen feinen Anzug leisten, eine Frau wie diese ausführen und mit Geld überhäufen. Eines schönen Tages. Er fuhr fort, die Wand zu bearbeiten, und dachte dabei an üppige, milchig weiße Fleischmassen.
Madame Pons legte ihren Umhang ab und inspizierte Nicoles Küche. Während Ernest die Tüten vom Markt auspackte, prüfte sie die Schärfe eines Messers mit dem Daumen, wog einen Kupferkessel in der Hand und verlangte nach einer Schürze und einem Glas Weißwein. Sie wählte Ernest als ihren Gehilfen aus und befahl Nicole und Simon, erst mittags wiederzukommen. Als die beiden das Haus verließen, hörten sie, wie Madame ihre erste Anweisung gab, auf die ein lebhaftes »D’accord, Verehrteste« von Ernest folgte.
Simon lächelte. »Wie findest du das, daß wir aus unserem eigenen Haus hinausgeworfen werden? Die hat Haare auf den Zähnen, was?«
»Alle guten Küchenchefs sind Tyrannen.« Nicole blickte auf ihre Uhr. »Das trifft sich gut, weil ich dir etwas zeigen möchte, eine Überraschung für Ernest. Jetzt haben wir Zeit.«
»Ich glaube, er
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