Hotel Pastis
Südfrankreich-Outfit, einen hellgelben Baumwollanzug. Sie schüttelten sich die Hände über dem offenen Verdeck und dem blonden Kopf der Beifahrerin.
»Sie sehen gut aus für einen Aussteiger mittleren Alters.« Harris deutete auf den Wagen. »Das ist Angela«, sagte er, und ohne mit der Wimper zu zucken fügte er hinzu: »Meine Forschungsassistentin.« Eine schmale Hand streckte sich aus dem Verdeck heraus und winkte Simon zu.
»Stellen Sie den Wagen da drüben ab, ich helfe Ihnen mit dem Gepäck.«
Angela blinzelte in die Sonne, als sie ausstieg, und befreite die hochgeschobene Sonnenbrille aus ihren Haaren. Sie war einen Kopf kleiner als Harris und vom Hals bis zu den Oberschenkeln in ein enganliegendes und selbstverständlich schwarzes Trikot gezwängt. Das einzige Zugeständnis an Farbe waren ihre scharlachroten Sandalen, in denen ebenso lackierte Zehennägel zum Vorschein kamen. Sie sah aus wie eine Achtzehnjährige, die zwanzig Jahre Berufserfahrung hinter sich hatte. Mit einem süßen Lächeln wandte sie sich sogleich an Simon. »Ich platze gleich. Wo ist denn die Damentoilette?«
Plötzlich war das Hotel zum Leben erwacht. Man hörte Platschen vom Swimmingpool und Gelächter von der Bar. Die Damen aus der Werbebranche lagen bereits eingecremt in der Sonne, und von Zeit zu Zeit besprühten sie sich das Gesicht mit Evian-Wasser aus dem Zerstäuber. Dagegen waren die Mädchen von den Zeitschriften darauf bedacht, möglichst wenig Sonne abzubekommen. Sie zogen von einem schattigen Fleckchen zum anderen, schossen repräsentative Fotos und wisperten vertrauliche Anmerkungen in ihre kleinen schwarzen Diktiergeräte. Ernest huschte dienstbeflissen von einer Gruppe zur nächsten, lächelte und nickte und schickte den Barkeeper herum. Madame Pons stolzierte in ihrer weiten weißen Schürze zwischen den Tischen hindurch, um sich ein letztes Mal zu vergewissern, daß für das gleich stattfindende Mittagessen alles so war, wie es sein sollte.
Simon sah Nicole mit Philippe Murat auf der Terrasse sitzen. Mit einer nach Simons Ansicht unangemessenen Vertraulichkeit zeigte er ihr gerade seine Mini-Videokamera. Der Franzose legte ihr den Arm um die Schulter, als er ihr dabei half, das Gerät auf den Swimmingpool zu richten.
»Du mißachtest die Vorschriften am Arbeitsplatz«, wandte Simon sich an Philippe. »Intimitäten mit Kameraleuten sind untersagt.«
Philippe grinste und erhob sich, um Simon zu umarmen. »Félicitations. Das ‘ier ist superb. Wie bist du dazu gekommen? Und warum ‘ast du Nicole vor mir versteckt ge’alten? Ich lerne nie so bezaubernde Frauen kennen.«
»Du bist ein ganz schlimmer alter Wüstling und außerdem viel zu braun für einen anständig arbeitenden Menschen. Wo warst du denn?«
Philippe verzog das Gesicht. »Wir ‘aben einen Werbespot in Bora-Bora gedreht. Und viel Spaß ge’abt.«
»Kann ich mir denken.« Simon wandte den Blick zum Swimmingpool. »Wo ist denn deine Freundin?«
»Eliane?« Philippe machte eine Handbewegung in Richtung Hotel. »Sie zieht sich zum Mittagessen um. Danach wird sie sich für den Pool umziehen, dann zum Dinner. Ihre Kleider langweilen sie immer nach drei Stunden.«
»Elle?«
»Vogue.«
»Aha.«
Nicole lachte. »Es heißt, daß alle Frauen Huren sind.« Sie sah auf ihre Uhr. »Chéri, wir sollten sie zum Mittagessen reinholen. Es sind alle da, oder?«
»Billy Chandler habe ich noch nicht gesehen, aber wir können auch ohne ihn anfangen.«
Mit einer Geruhsamkeit, die die Folge des Genusses von Sonne und Wein waren, schlenderten die Gäste zur Restaurantterrasse, wo Simon und Ernest sie empfingen und ihnen ihre Plätze zuwiesen. Als Simon den Blick nach oben wandern ließ, entdeckte er Françoise, die aus einem Fenster im ersten Stock spähte und verzückt die Kleiderkollektionen bewunderte — die sonnenölglänzenden Werbedamen verbargen ihre Badeanzüge unter langen T-Shirts oder Strandkleidern, während die Mädchen von den Zeitungen fast winterlich wirkten in ihren schwarzen Klamotten; Angela war in kirschrotes Lycra eingewickelt, Eliane (die offenbar auch in Bora-Bora gewesen war) trug zu ihrem kurzgeschorenen dunklen Haar ein smaragdgrünes, bis zur Hüfte geschlitztes Seidenkleid. Und dann waren da die Männer: abgesehen von Philippe trugen alle Weiß, und lange Shorts und abgetragene T-Shirts schienen der letzte Schrei zu sein. Ihre Kleidung verriet eine Art versnobten Anti-Snobismus, dachte Simon; man hätte sie für abgerissene Arbeiter
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