Hotel Pastis
sommerlich warm. Simon sah Ernest an, noch nie hatte er eine solche Zufriedenheit auf einem Gesicht gesehen.
»Immer noch Sehnsucht nach Wimbledon, Ern?«
Ernest lächelte, streckte die Beine aus und betrachtete seine Baumwollespadrillos. »Unbändige Sehnsucht.«
Da das Wasser des Swimmingpools schon auf erträgliche vierundzwanzig Grad aufgeheizt war, kamen Nicole und Simon jetzt immer zum Hotel herunter, um noch vor dem Frühstück eine Runde zu schwimmen. Bald würde dies das Reich der Gäste sein, meinte Nicole, und deshalb mußten sie es ausnutzen, solange sie noch unter sich waren.
Es war etwas ganz Neues für Simon, den Tag mit ein paar Runden Schwimmen anzufangen, und bald war er richtig süchtig nach dem leichten Schock, den das kalte Wasser auf seiner Haut hervorrief. Sein Körper erwachte, die Schwere des Schlafs verschwand aus den Gliedern, der Kopf wurde leicht, und man konnte wieder richtig durchatmen. Aus fünf, zunächst nur mühsam bewältigten Runden wurden zehn und dann sogar zwanzig. Dabei bemerkte er, daß er langsam und auf eine höchst angenehme Art und Weise fit wurde. Nachdem er seine Runden absolviert hatte, schwang sich Simon aus dem Wasser. Nicole lag schon auf den Steinen, ihren einteiligen Badeanzug hatte sie bis zu den Hüften heruntergerollt, und winzige Wassertröpfchen trockneten auf ihrer Brust, die schon leicht gebräunt war.
»Frühstück der Champions«, sagte er und beugte sich über sie. Plötzlich hielt er inne. Aus den Augenwinkeln heraus hatte er eine Bewegung wahrgenommen. Er hob gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie ein kahler Schädel hinter der Mauer verschwand. »Ach, Scheiße.«
Nicole schirmte ihr Gesicht mit einer Hand gegen die Sonne ab. »Weißt du, Liebling, du wirst jeden Tag romantischer.«
»Ich bin nicht der einzige.« Er machte eine Kopfbewegung zur Mauer hin. »Du hast einen heimlichen Verehrer. Ich hab ihn gerade noch abtauchen sehen. Einer der Nachbarn glaubt anscheinend, wir machen hier eine Peepshow für ihn.«
»Wer?«
»Ein Voyeur — es muß der Ehemann des Beobachtungskomitees von Brassière sein.«
Nicole setzte sich auf und lachte, während sie zur Mauer hinübersah. »Monsieur Arnaud ist ein alter Ziegenbock, jeder im Dorf weiß das. Neulich hat mir jemand erzählt, daß er seine Frau seit den Flitterwochen vor vierzig Jahren nicht mehr nackt gesehen hat.«
Simon erinnerte sich an das strenge Gesicht und die schraubstockartig zusammengekniffenen Lippen Madame Arnauds. »Kein Wunder.«
»Mach dir keine Sorgen. Sie wird sich vielleicht beschweren, aber er sicher nicht. Es macht ihm mehr Spaß, als seine Rosen zu gießen.« Sie strich Simon das nasse Haar aus der Stirn und ließ ihre Hand über seinen Nacken gleiten.
»Also, was ist mit diesem Champion-Frühstück?«
18
D ie Eröffnung war auf den ersten Samstag im Juni gelegt worden. Da zahlreiche geladene Gäste erwartet wurden, würde das Hotel am Wochenende voll sein. Nicole und Simon saßen gerade beim Frühstück im Restaurant, als Ernest aus der Küche kam. Er trat zu ihnen an den Tisch und schnalzte mißbilligend mit der Zunge, während er demonstrativ auf die Uhr sah.
»Da steht man in aller Herrgottsfrühe auf, hastet herum wie ein aufgescheuchtes Huhn, und was muß das müde Auge dann erblicken?« Er schürzte die Lippen und zog die Augenbrauen hoch. »Der patron und Madame trödeln mit ihren Frühstücksbrötchen herum und sitzen all diesen armen Jungs im Weg.« Er machte eine fahrige Handbewegung in Richtung der jungen Kellner, die allesamt mit ihren schwarzen Hosen und weißen Hemden ausstaffiert waren und die Tische für das Mittagessen deckten. »Nun denn. Ein letzter Kontrollgang könnte nicht schaden, was meinen Sie?«
Nicole und Simon stürzten hastig ihren Kaffee hinunter und ließen sich von Ernest die Treppe hinaufscheuchen. Dort patrouillierte Françoise an der Rezeption auf und ab. Sie trug ein sittsames Baumwollkleid, das jedoch kaum verhinderte, daß sich ihr gewagter neuer BH darunter abzeichnete. Jedesmal, wenn sie an dem hübschen antiken Spiegel hinter dem Empfangstisch vorbeikam, prüfte sie den Zustand ihres Make-ups. Auf dem dunklen, polierten Eichenholztisch unter dem Spiegel stand eine bauchige Glasvase mit frischen Blumen, deren Duft sich mit schwachem Bienenwachsgeruch vermischte.
» Bonjour, Françoise. Ça va? «
Doch ehe sie antworten konnte, klingelte das Telefon. Sie stöckelte zum Tisch, nahm einen
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