Hotel Pastis
Ernest?«
Françoise gab sich alle Mühe, den kleinwüchsigen englischen Fotografen zu verstehen. Schließlich war er sehr charmant, und es war keineswegs unangenehm, im Mittelpunkt seiner schmeichelhaften Aufmerksamkeit zu stehen, obwohl er nicht allzu viele französische Wörter beherrschte.
»Also, Schätzchen«, sagte er, »machen wir ein paar für Vogue. Du kennst doch Vogue, oder? Le top- Magazin.« Er trat zurück und legte den Kopf ein wenig schief. »Hm. Komm doch mal hierher auf die Couch.« Er klopfte auf das Polster, und Françoise setzte sich auf den Rand der Sitzfläche. »Nein, ich glaube, es wäre besser, wenn du dich hinlegst — tres relax, okay? Darf ich?« Er schob Francoise hin und her, bis sie ausgestreckt auf der Couch lag. »Ja, das ist schon besser.« Er kniete sich neben sie. »Jetzt müßtest du nur noch dieses Bein anwinkeln — so, genau — und die zwei obersten Knöpfe... Augenblick, das haben wir gleich... und den Rock ein wenig... ja, wunderbar...«
Mit den weiß und pinkfarben gestreiften Espadrillos waren Ernests Schritte nicht zu hören, als er auf dem Weg zum Restaurant hinunter durch den Empfangsraum lief. Abrupt blieb er stehen, zog seine Augenbrauen fast bis zum Haaransatz hoch und hüstelte nachdrücklich.
Billy Chandler wandte den Kopf nach ihm um und grinste. »Mache hier gerade ein paar Probeaufnahmen, Ern. Sie haben nicht zufällig meinen Belichtungsmesser gesehen?«
»Er hat sich wohl nicht zufällig in der Bluse der jungen Dame versteckt, wie ich annehme? Oder haben Sie da noch nicht gründlich genug gesucht?«
»Wir haben nur an einer wirklich kunstvollen Positur gearbeitet, Ern, weiter nichts.« Er blinzelte. »Übrigens sollten Sie wohl besser gehen. Ich habe Simon nach Ihnen rufen hören.«
Ernest rümpfte die Nase. »Ich werde Monsieur Bonetto hochschicken, dann können Sie ein kunstvolles Porträt von Vater und Tochter machen. Fangen Sie aber nicht ohne ihn an, ja?«
Die Gruppe um den Tisch trat zurück und sah zu, wie Ernest Mrs. Gibbons so lange schalt, bis sie sich die Überreste ihres Imbisses wegnehmen ließ, und er sie dann fortschickte. Mit eingezogenem Schwanz suchte sie bei Madame Pons in der Küche Zuspruch. Harpers & Queen war der Verzweiflung nahe, als sie die erbärmlichen Überreste zusammensammelte und zu einem nassen, durchgekauten Häufchen auf den Tisch stapelte. Ihr Terminkalender hatte keinen größeren Schaden genommen, fraglich war jedoch, ob ihre Kreditkarten in irgendeine Buchungsmaschine passen würden, die nicht auf Bißabdrücke programmiert war. Außerdem würde sie einen neuen Paß brauchen. Mit einem verärgerten Zug um die hochroten, zusammengekniffenen Lippen starrte sie Simon an. Es mußte irgend etwas unternommen werden.
Aber was? Das britische Konsulat in Marseille war am Wochenende geschlossen. Simon fand sich damit ab, daß er den Sonntagvormittag damit verbringen mußte, hinter dem Konsul her zu telefonieren. Schließlich ließ sich Harpers & Queen, die die Fetzen ihrer Tasche fest an sich preßte, von Ernest zur nächsten Flasche Champagner geleiten, und die Schaulustigen wandten sich nun dem Poolhouse zu, aus dem Musik drang.
Es ging schon auf Mitternacht zu, als Simon sich an einem kleinen Tisch am Rand der Terrasse niederließ, um sein verspätetes Mittagessen einzunehmen; er genoß die flutlichtbeschienene Aussicht und das Gefühl, endlich allein zu sein. Abgesehen von dem verdammten Hund lief alles bestens. Es gab keine übermäßig Betrunkenen, keinen Streit, niemanden, der Billy Chandler verprügelte. Früher oder später würde wohl irgendjemand in den Swimmingpool fallen, aber insgesamt war es ein gelungener Abend gewesen. Simon nahm eine Gabel Lachs und gönnte sich endlich die langersehnte Entspannung.
»Sieh da, der patron ruht sich von der Mühsal des Tages aus.« Johnny Harris zog einen Stuhl heran und setzte sich. »Wie geht’s Ihrem Gesicht? Haben Sie schon einen Krampf vom dauernden Lächeln?«
Simon schluckte und nickte. »Und selbst?«
»Ich komme mir vor wie ein Mensch zweiter Klasse.« Harris schenkte sich Wein ein. »Angela hat mir gar nicht erzählt, daß sie Fremdsprachen studiert hat. Sie redet wie ein Wasserfall auf die Frogs ein, und ich stehe daneben wie ein Trottel. Sie schwirren ständig um sie herum wie die Fliegen. Das war wirklich ein Schock für mich. Dabei sieht sie gar nicht aus wie eine Akademikerin.«
Simon erinnerte sich an Angelas Party-Aufmachung — ein kurzes,
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