Hotel Pastis
Mann, der da im tadellosen Anzug saß, sah aus wie jemand, den er schon in den Zeitungen gesehen hatte.
»Monsieur?«
Jojo wandte sich um. Vor ihm stand Françoise und lächelte ihn an. Ein hübsches Mädchen, dachte er. Noch zwanzig Kilo mehr, dann hätte sie alles, dann wäre sie eine richtige Frau.
Er übergab ihr den Brief und ging zu seinem Wagen zurück. Jetzt, da er wußte, wer der Besitzer des Mercedes war, paßte er noch mehr auf, als er die Wagentür aufmachte. Nachdenklich fuhr er zum chantier zurück. Was hatte der Engländer mit einem Mann wie diesem zu schaffen?
Nicole hörte sich Simons Bericht beim Mittagessen mit wachsendem Erstaunen an. Dies war eine regelrechte Erpressung, unerträglich, man mußte sofort die Polizei informieren, dieser Gangster mußte hinter Gitter. Auf der Stelle würde sie die gendarmerie anrufen.
Simon hielt sie am Arm fest, als sie zum Hörer greifen wollte. »Jetzt werde nicht gleich hysterisch. Was soll die Polizei denn machen — ihn vielleicht einsperren, weil er mich zum Essen eingeladen hat? Er hat mich nicht bedroht — naja, nicht direkt jedenfalls. Er hat mir nur ein paar Horrorgeschichten erzählt.« Nicole ging wütend auf und ab und zog nervös an ihrer Zigarette. »Das ist unmöglich. Wir müssen irgend etwas unternehmen.«
»Was denn? Mrs. Gibbons auf ihn hetzen? Ihm sagen, daß wir mit unserer Wäscherei ganz zufrieden sind? Mein Gott, ich weiß ja nicht einmal, ob er wirklich gefährlich ist oder ob er nur blufft. Vielleicht probiert er eine neue Verkaufsstrategie aus. Nicole?« Sie blieb stehen. »So beruhige dich doch. Du bist ja ganz außer dir.«
»Ich werde noch wahnsinnig.«
»Sieh mal, zuerst müssen wir mehr über ihn in Erfahrung bringen, und dann können wir überlegen, was zu tun ist.«
»Mal angenommen, es stimmt, was du über ihn denkst?« Simon zuckte mit den Schultern. »Entweder ich lasse ihn umbringen, oder ich wechsle die Wäscherei.«
»Das meinst du doch nicht im Ernst?«
»Ich habe es aufgegeben, ernst zu sein. Ich habe einen geistesgestörten Onkel, der mich ständig um Taschengeld anpumpt, nebenan wohnt eine hysterische alte Dame, deren Mann Tag und Nacht auf der Leiter steht, und jetzt will mein neuer Freund Enrico das Hotel in ein Jagdrevier für die Mafia umwandeln. Nach allem, was ich weiß, ist Madame Pons schwanger, und das deutsche Paar in Zimmer acht putzt seine Schuhe mit dem Vorhang. Wie kann ich da noch ernst bleiben?«
Nicole trat näher zu ihm und legte ihm einen Arm um die Schulter. »Du bist nicht sehr glücklich, stimmt’s?«
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Ist es dir noch nicht aufgefallen, daß wir kaum noch einmal allein sind? Du arbeitest bis spät in die Nacht, und ich spiele den perfekten Gastgeber, wir fallen abends todmüde ins Bett und stehen jeden Morgen pünktlich um acht Uhr auf, und alles fängt wieder von vorne an.«
» Chéri, es ist eben ein Hotel. Ein Fulltime-Job.«
Sie sahen einander schweigend an. Durch die offene Bürotür hörten sie Ernests höfliche, aber kühle Stimme, dann Gemurmel und Schritte, die sich in Richtung Terrasse entfernten. Ernest kam ins Büro, schloß die Tür hinter sich und verdrehte demonstrativ die Augen. »Also, meine Lieben, wir bekommen hohen Besuch.«
»Wen denn, Ern?«
»Ich fürchte, es ist kein Besuch, über den Sie sich freuen werden. Die ehemalige Mrs. Shaw hat sich von Harrods losgerissen, um uns einen Besuch abzustatten. Sie bringt auch ihren neuen Freund mit.« Ernest rümpfte verächtlich die Nase. »Ein junger Mann, der sich gut neben ihr macht. Ich habe sie in den Garten zum Spielen geschickt.«
»Das kann ja heiter werden.« Simon stand auf und seufzte. »Sieht er aus wie ein Anwalt?«
»Nein, mein Lieber. Für einen Anwalt ist er viel zu gut gekleidet.«
Simon ging auf die Terrasse hinaus und schielte unwillkürlich zur Mauer hinüber, wobei er zum Schutz vor der Sonne die Augen zukniff. Dieser Knilch machte sich nicht einmal mehr die Mühe, den Kopf einzuziehen, und Simon war versucht, ihn zu einem Drink einzuladen, damit er die Leiber am Pool näher in Augenschein nehmen konnte.
In diesem Augenblick entdeckte er Caroline mit ihrem kunstvoll zurechtgemachten Haar und ihrem altbekannten Gesicht, das sich gerade dem Mann an ihrer Seite zuwandte. Sie war, wie üblich, teuer gekleidet. Als sie Simon von der Terrasse her auf sie zukommen sah, winkte sie, und ihr schweres Silberarmband glitzerte in der Sonne. Er erinnerte sich, daß
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