Hotel Pastis
ich habe Willy einen bescheidenen Kredit gegeben. Im Tausch gegen das Porträt.«
»Sie sind ein leichtes Opfer, Ern.« Simon verließ die Bar und ging hinüber zu Onkel Williams Tisch. Der alte Mann sah auf, sein Gesicht war vor Eifer rot angelaufen, und er strahlte bis über beide Ohren.
»Mein Junge! Komm, setz dich zu uns, komm. Wirf die Sorge ums Geschäft von dir und trink ein Gläschen Wein mit uns.« Er hob die Flasche in die Höhe und sah sie bestürzt an. »Diese verflixten Flaschen werden auch jeden Tag kleiner. Ist dir das schon aufgefallen?«
Simon bestellte noch eine Flasche und ein weiteres Glas und zog einen Stuhl heran. »Wie geht’s, Boone?«
»Phantastisch. Diese Madame Pons ist eine tolle Köchin, nicht? Ich hatte pieds et paquets - so etwas Feines habe ich noch nie gegessen. Ich schwör’s.«
Onkel William nutzte die Ankunft des Weines, um diese wenig vielversprechende Wendung des Gesprächs im Keim zu ersticken.
»Trinken wir auf die Kunst und auf die Freundschaft und reichen wir uns die Hände über den Ozean hinweg!«
Bevor Simon fragen konnte, wessen Hände er eigentlich meinte, beugte sich Onkel William vor und zog Simon das lederne Zigarrenetui aus der Hemdtasche, wobei er eifrig weitersprach. »Dieser entzückende junge Mann und ich sprachen gerade über die Möglichkeit eines größeren Werks, die größte künstlerische Studie über pere Parker, der den Staat Texas wie ein Koloß überspannt, womöglich auf dem Rücken eines Pferdes zu Hause auf den Weiden.« Er machte eine Pause und zündete sich eine Zigarre an.
Boone grinste. »Es tut mir leid, Willy, aber mein Vater wohnt in der Park Avenue. Er hat’s auch nicht so mit Pferden.« Onkel William paffte an seiner Zigarre. »Macht nichts, mein Junge, macht nichts. Es kommt nur darauf an, den Geist des Menschen einzufangen, seine Vision, sein inneres Wesen.« Er nahm einen großen Schluck Wein. »Selbstverständlich müßte ich eine Zeitlang bei ihm wohnen, um seine Persönlichkeit zu ergründen. Aber zum Glück lasse ich mich durch den Gedanken ans Reisen absolut nicht entmutigen. Habe ich richtig verstanden, daß Ihr lieber Vater ein Flugzeug besitzt?«
»Eine Sieben-Null-Sieben und ein paar Lears.«
»Na dann!« Onkel William steckte Simon das Zigarrenetui wieder in die Tasche und lehnte sich zurück. »Nichts einfacher als das.«
Der Sturm, der sich von Westen her angekündigt hatte, brachte einen kalten Wind mit sich. In den Hügeln zuckten Blitze, und der Donner rollte. Einen Augenblick lang stockte die Unterhaltung.
»Wunderbar!« schwärmte Onkel William. »Die majestätische Gewalt der Natur. Sehr inspirierend. Ich glaube, ich nehme einen Cognac.«
Ein zweiter dröhnender Donnerschlag ganz in der Nähe, und alle Köpfe duckten sich wie auf Befehl. Plötzlich gingen die Lichter im Hotel aus. Die Terrasse lag in völligem Dunkel, nur hie und da flackerten ein paar eilig angezündete Kerzen, und jemand, der englisch sprach, machte kritische und gereizte Bemerkungen über ein angeheitertes Fräulein, das ganz in seiner Nähe saß. Und dann kam der Regen.
Es goß in Strömen, sturzbachartig prasselte der Regen auf die Segeltuchschirme nieder und prallte kniehoch von den Steinfliesen zurück, so daß die Gäste von oben und unten gleichzeitig durchnäßt wurden. Alle flüchteten hastig ins Trockene des völlig dunklen Speisesaals. Glas zerbrach, es war ein Gedrängel und Geschubse, Frauen kreischten, Männer fluchten, und Onkel William rief nach Rettungsbooten. Dabei war er der erste gewesen, der sich vor dem sturzbachartigen Regen in eine trockene Ecke hinter der Bar hatte retten können. Dort suchte er nun beim Schein eines Streichholzes nach einer Flasche Brandy.
Ernest hatte bereits die Kellner instruiert und mit Kerzen ausgerüstet. Als der Kerzenschein die Dunkelheit ablöste, konnte man sehen, was der kurze Spurt von der Terrasse ins Innere angerichtet hatte. Unter jedem Gast hatte sich eine kleine Pfütze gebildet, alle hatten zerzaustes Haar, und ihre Kleider klebten fast am Körper. Simon nahm eine Kerze und ging nach oben. Nicole, Françoise und er kamen mit Bergen von Handtüchern zurück, die unter den triefenden Gästen verteilt wurden.
Die Reaktionen auf den Zwischenfall waren unterschiedlich. Ernest, ruhig und mit beherzter Fröhlichkeit, hatte sich zu Onkel William hinter die Bar begeben und verteilte an alle, die danach verlangten, Drinks. Madame Pons war für einen kurzen Augenblick aus der Küche
Weitere Kostenlose Bücher