Hotel Pastis
wieder.«
Jojo und Claude saßen in dem abweisend düsteren Raum des Fin de siècle-Cafés in Cavaillon. Mit dem ersten pastis hatten sie den Staub von der Arbeit hinuntergespült. Schnell und wie man eine Medizin schluckt. Erst den zweiten konnten sie richtig genießen.
Jojo zündete sich eine Zigarette an und spürte, wie sich sein Rücken entspannte. »Weißt du, daß ich heute nachmittag im Hotel in Brassière war? Ich mußte eine Rechnung abgeben.« Claude murmelte etwas Unverständliches und vertiefte sich wieder in die Zeitung, die jemand an der Bar liegengelassen hatte.
»Rate mal, wen ich dort beim Mittagessen gesehen habe? Ein Mercedes, fast so groß wie ein Haus, hat draußen auf ihn gewartet, mit livriertem Chauffeur. Cong, das ist Lebensstil, was?«
Claude hob den Kopf. »Mitterrand? Er soll manchmal für ein paar Tage hierherkommen. Oder der andere, wie heißt er gleich wieder. Jack Lang?«
Jojo schüttelte den Kopf. »Erinnerst du dich an den Dreh mit den Krankenwagen in Marseille vor ein paar Jahren? Die flics haben ihn geschnappt, alles war scheinbar hieb- und stichfest, aber sie konnten ihm nichts nachweisen. Also mußten sie ihn wieder laufenlassen, als ob nichts gewesen wäre, und dann hat er eine Zeitung gerichtlich verklagt, weil die ihn als König der Unterwelt bezeichnet hatte. Ganz schön frech, was?« Jojo schüttelte noch einmal den Kopf und nahm dann einen Schluck. »Na ja, jedenfalls war er es, in Anzug und Krawatte, mit einer goldenen Uhr und allem Drum und Dran. Bei dem Engländer.«
»Was willst du, die Leute essen dort zu Mittag.«
»Aber ein Kerl wie der, eine grosse legume aus Marseille, was macht der in einem kleinen Dorf? Kannst du mir das verraten?«
Claude rieb sich das Kinn und zermarterte sich vergeblich das Gehirn. Dann gab er mit einem Achselzucken auf. »Vielleicht gefällt ihm die Küche dort. Vielleicht kommt er deshalb.«
»Ja, ja. Und ich werde mir morgen einen Chauffeur zulegen.« Jojo seufzte tief und dachte an den Abend, der vor ihm lag; eine Pizza und eine einsame lange Nacht. »Putain. Was ich alles mit fünf Millionen Francs anfangen könnte.«
Claude grinste ihn an und klopfte ihm auf die Schulter. »Du könntest mich einstellen. Als deinen Chauffeur, und wir könnten gemeinsam die bordels besuchen. Oder willst du dich für diese Küchenchefin aufheben?«
Der Sonnenuntergang war grell und bedrohlich, und von ferne war Donnergrollen zu hören, das die Hotelgäste beunruhigt von ihrem Abendessen aufblicken ließ. Kein Lüftchen regte sich, und die Hitze war beinahe unerträglich. Wenn man genau hinhörte, konnte man vernehmen, wie das trockene raschelnde Zirpen der cigales mit einemmal erstarb.
Simon und Ernest hatten den Bardienst übernommen. Sie hatten zu Beginn des Abendessens alle Tische mit Getränken versorgt und nach dem Hauptgang bereits weitere Flaschen Wein entkorkt. Das Essen ging langsam dem Ende zu. Wieder einmal waren die Vereinten Nationen zu Gast, und die Ausländer waren gegenüber den Franzosen in der Überzahl. Dies ist der große Vorteil, wenn man im Lubéron ein Geschäft betreibt, dachte Simon. Die Sonne lockte sämtliche Nationalitäten aus dem Norden an. Und falls in dem einen Jahr die Holländer pleite waren, konnten es sich die Schweden leisten zu kommen. Oder auch die Engländer, inklusive seiner Exfrau, die stets dafür sorgen würde, daß sie ihren Lebensstandard nicht aufgeben mußte. Caroline hatte Simon aufgelauert; doch es war ihm gelungen, dem Anschlag zu entkommen, da er vorgegeben hatte, er werde dringend in der Küche gebraucht. Doch sicher würde sie es noch einmal versuchen. So schnell warf sie die Flinte nicht ins Korn.
Inzwischen wurde seine Aufmerksamkeit auf ein höchst ungewöhnliches Paar an einem Tisch in seiner unmittelbaren Nähe gelenkt. Onkel William, dessen Leinenjackett ausnahmsweise einmal sauber und gebügelt war, ließ einen Redeschwall auf Boone Parker nieder und sprach dabei intensiv dem Wein zu.
Simon nickte ihnen zu. »Was spielt sich denn dort ab, Ern?«
»Der liebe gute Willy.« Ernest seufzte tief. »Ein solches Schlitzohr, aber ich mag ihn trotzdem. Ich habe ihm gegenüber einmal erwähnt, daß der Vater des jungen Boone ein Mann von beträchtlichem Reichtum ist. Das mag Willy ermutigt haben, den Jungen unter seine Fittiche zu nehmen, in einem künstlerischen Sinn natürlich.«
»Daran habe ich keinen Zweifel. Wer bezahlt das Essen?« Ernest räusperte sich verlegen. »Na ja,
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