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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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Fenster.
    Französin. Das hätte man schon am Parfüm erkennen können. Und das so früh am Morgen. »Wo haben Sie Ihre Reise begonnen, Madam?«
    »In der Provence.«
    »Provence?«
    »In Südfrankreich.«
    »Nun, wo genau? Nizza? Marseille? In dieser Gegend?«
    »Ja. Etwa eine Stunde von Marseille entfernt.«
    »Verstehe. Etwa eine Stunde von Marseille entfernt.«
    Der Zollbeamte gab ihr den Paß zurück und trat vor die Front des Wagens, sah sich das Nummernschild an und kam wieder. »Ihr Wagen, nicht wahr, Madam?«
    »Nein. Ich bringe ihn für einen Freund nach London zurück.«
    »Einen Freund. Ich verstehe.« Er beugte sich hinunter, bis sich sein Gesicht mit dem formellen, höflichen Lächeln auf gleicher Höhe mit dem von Nicole befand. »Würden Sie bitte den Wagen dort hinüber fahren, Madam?« Er deutete auf die leere Spur mit dem roten Signal. Nicole bemerkte, wie die Passagiere in den anderen Autos sich nach ihr umdrehten.
    »Aber ich...«
    »Danke, Madam.« Er richtete sich wieder auf und folgte dem Porsche. Bei all dem Zeug, das die Leute heutzutage heraufschafften, konnte man gar nicht vorsichtig genug sein. Schließlich mußte er noch ein paar Stunden totschlagen, bevor seine Schicht zu Ende war, und die Franzosen hatte er sowieso noch nie gemocht. Aufgeblasene Wichser. Wollte vielleicht irgendjemand, der gesunden Menschenverstand besaß, diesen verdammten Tunnel unter dem Kanal? Er beobachtete, wie Nicole aus dem Wagen stieg, hohe Absätze, Seidenstrümpfe, eine teuer aussehende Lady. Die klassische Schmugglerin, wenn er auch noch nie eine gesehen hatte.
    Sie fuhren den Wagen weg und führten Nicole in einen kleinen tristen Raum, der den schalen Geruch von Tausenden von Zigaretten verströmte. Sie starrte auf die Tollwutplakate an der Wand und blickte durch das Fenster, während die letzten Autos von der Fähre im Nieselregen davonfuhren. Willkommen in England. Sie schauderte und fühlte sich grundlos schuldig. In Frankreich hätte sie den Mund aufgemacht und eine Erklärung verlangt; doch hier, als Fremde, noch dazu mit ihrem Englisch, war sie zu unsicher, um sich bei dem Mann mit dem grobschlächtigen roten Gesicht und dem feindseligen Blick zu beschweren. Sie sehnte sich nach einer Tasse Kaffee.
    Eine Stunde verstrich, ehe sich die Tür öffnete.
    »Es scheint alles in Ordnung zu sein, Madam. Hier sind Ihre Schlüssel. Entschuldigen Sie, daß wir Sie aufgehalten haben.«
    »Was haben Sie denn gesucht?«
    »Illegalen Stoff, Madam, illegalen Stoff.« Er sah zu, wie sie aufstand, und trat zur Seite, um sie durch die Tür zu lassen. Dann blieb er an der Tür stehen und beobachtete, wie sie den Wagen anließ, ihn abwürgte und erneut anließ. Schade drum. Er hätte schwören können, sie sei eine leibhaftige Schmugglerin. Nicole mußte sich Mühe geben, langsam loszufahren. Wie töricht, sich wegen so etwas aufzuregen. Sie war dankbar für das Schild, das auf den Linksverkehr aufmerksam machte, und reihte sich in den Verkehr nach London ein. Es war fast elf Uhr fünfzehn, und sie müßte schon großes Glück haben, wenn sie es noch rechtzeitig zum Mittagessen schaffte. Ihre Freundin Emma fragte sich sicher schon, was passiert sei. Merde.
    Erst in dem Augenblick, da sie auf der Suche nach ihren Zigaretten einen flüchtigen Blick nach unten warf, bemerkte sie das Autotelefon. Kurz darauf bahnte sich Emmas gezierte, leicht gepreßte Stimme den Weg durch die atmosphärischen Störungen.
    »Schätzchen, wie geht es dir? Wo bist du?«
    »Kurz hinter Dover. Der Zoll hat mich aufgehalten.«
    »So ein Pech. Haben sie etwas gefunden? Diese gemeinen Kerle. Sie lieben es einfach, einem in der Unterwäsche herumzuwühlen. Du hast doch hoffentlich verlangt, daß sie sich Handschuhe anziehen.«
    »Nein, es war nichts. Sie haben nur in den Wagen geschaut, das war alles.«
    »Mach dir nichts draus. Komm direkt hierher zur Wohnung, so bald du kannst; wir werden uns dann einen genehmigen. Julian ist wie immer nicht da, wir können uns also über seinen Burgunder hermachen. Ich stelle einen Montrachet in den Kühlschrank, und wir werden dann ein schönes Schwätzchen halten. Streck den Polizisten nicht die Zunge raus. A tout à l’heure, Schätzchen. Tschau.«
    Lächelnd legte Nicole den Hörer wieder in die Schale. Emma tat ihr gut, wie immer seit der Scheidung — stets fröhlich, nie einem Tratsch abgeneigt, freundlich und glücklich verheiratet mit einem älteren Mann, der einer wichtigen Beschäftigung in Brüssel

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