Hotel Pastis
lächelte. »Wie geht es Ihnen, Madame Bouvier?«
Sie hakte sich bei ihm unter, und sie gingen durch die Halle zur Gepäckabholung. »Verzeihst du mir, daß ich dich aus dem Büro gelockt habe?«
Simon blickte zu ihr hinunter. »Ich habe das scheußliche Gefühl, daß es am Montag auch noch da sein wird.«
Sie stiegen in den kleinen weißen Wagen, und Nicole schwieg, da sie sich konzentrieren mußte, bis sie sich auf der Straße zur autoroute eingefädelt hatten. »Bon«, sagte sie und schüttelte eine Zigarette aus der Schachtel, die auf dem Armaturenbrett lag. »Man verpaßt leicht die Abzweigung, und dann ist man plötzlich in Aix.«
»Es gibt Schlimmeres.« Simon lehnte sich zurück und beobachtete, wie Nicole ungeduldig am Zigarrenanzünder herumhantierte. Es gefiel ihm, daß sie keinen Nagellack trug. » Merde«, fluchte sie. »Dieses Auto. Nichts funktioniert.«
Simon fand schließlich eine Schachtel Streichhölzer, nahm ihr die Zigarette aus dem Mund und zündete sie an, wobei er den leichten Geschmack ihres Lippenstiftes genoß. »Merci.« Sie blies den Rauch aus dem offenen Fenster. »Du stellst keine Fragen, also nehme ich an, du willst dich überraschen lassen.«
Sie blickte zu ihm hinüber. »Ich habe Urlaub, und im Urlaub stelle ich niemals Fragen. Ich lasse mich treiben wie ein Blatt im Wind und möchte nichts weiter, als bei Höchstgeschwindigkeit auf der autoroute von einer Blondine herumgewirbelt werden, die nicht auf die Straße schaut. So stelle ich mir einen schönen, entspannenden Aufenthalt vor.«
Nicole mußte lachen, so daß sich in ihren Augenwinkeln winzig kleine Fältchen bildeten und ein etwas schiefer Zahn zum Vorschein kam. Sie sah genauso gut aus, wie er sie in Erinnerung hatte.
Sie unterhielten sich unbeschwert über belanglose Dinge, und als sie von der autoroute hinunterfuhren, stellte Simon fest, daß der Herbst in die Landschaft eingezogen war. Der Himmel war zwar noch sommerlich blau, doch an den Kirschbäumen tauchten hier und da schon rote Blätter auf, einige Weinstöcke waren rostbraun, andere gelb, in den Falten des Lubéron lagen intensive Schatten, und in der Ferne stieg der Rauch von Herbstfeuern auf.
Sie bogen von der Hauptstraße ab und fuhren den langen Hügel nach Gordes hinauf. »Ich habe dasselbe Hotel wie letztes Mal für dich gebucht«, erklärte Nicole. »Ist das okay?«
»Der schönste Blick in der ganzen Provence«, erwiderte Simon.
Nicole lächelte, sagte aber nichts. Sie wartete im Wagen, während Simon seinen Koffer abstellte und sich anmeldete. Er kam mit einer hellgelben Plastiktüte zurück. »Fast hätte ich es vergessen«, meinte er. »Das ist für dich. Du mußt es zweimal am Tag vor dem Essen einnehmen, dann hast du keine Verdauungsstörungen mehr.«
Nicole sah in die Tüte und lachte. »Ein Franzose würde etwas Vornehmeres über Champagner sagen.«
»Ein Franzose hätte auch nur eine Flasche gekauft. Wohin fahren wir?«
»Zuerst zu mir nach Hause, und von dort gehen wir zu Fuß.« Nicoles Haus, das höchste von Brassière-les-Deux-Églises, befand sich am Ende einer Sackgasse — ein schmales, dreistöckiges Gebäude aus verwitterten Steinen mit Holzläden, die in einer graugrünen Farbe gestrichen waren. Die Stufen führten zu einer geschnitzten Holztür mit einem Türklopfer in Form einer Hand, die einen Ball hielt. Die Blätter des alten wilden Weins loderten herbstrot an der Außenmauer.
»Das ist hübsch«, meinte Simon. »Wie lange hast du das schon?«
»Zehn, elf Jahre.« Nicole drehte den Schlüssel um und stieß die Tür mit der Hüfte auf. »Eines Tages wird es fertig sein. Das oberste Stockwerk muß noch gemacht werden. Paß auf deinen Kopf auf.«
Simon trat mit geducktem Kopf ein. Am anderen Ende des langen, niedrigen Raums konnte er durch eine Glastür eine kleine Terrasse und dahinter die blauen Hügel erkennen. Bequeme, ein wenig abgenutzte Lehnstühle standen vor einem Kamin aus behauenen Steinen, in dem Reisig von Weinstöcken lag. An der anderen Seite hatte man bis auf Hüfthöhe die Wand für eine Bar herausgeschlagen, ein Durchgang führte zur Küche. Überall waren Bücher, Bücher und Blumen. In der Luft lag ein zarter Lavendelduft.
Nicole packte den Champagner aus und stellte ihn in den Kühlschrank. Als sie die Tür wieder schloß, sah sie zu Simon auf. »Zweimal am Tag?«
»Unbedingt, Anweisung des Arztes.« Er ließ seine Hand über die Steinfliesen der Bar gleiten. »Dein Haus gefällt mir. Ich mag
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