Hotel Pastis
mir alles erzählen.«
Als sie das Haus erreichten, war die Sonne untergegangen und hinterließ am Himmel ein rosafarbenes Abendrot. Nicole machte Feuer im Kamin und bat Simon, eine von den CDs auszusuchen, die zwischen den Bücherstapeln im Regal aufgereiht waren, Tina Turner neben Mozart (das hätte ihm sicher gefallen, dachte Simon), Couperin, Fauré, Piaf, Brahms, Montserrat Caballé, Jeff Beck. Er schwankte einen Augenblick zwischen Pavarotti und Chopin, bevor er Keith Jarrett herauszog. Die ersten ruhigen Takte des Köln Concert wurden vom Geräusch eines knallenden Champagnerkorkens begleitet. Es war angenehm warm, und der aromatische Duft des brennenden Holzes breitete sich im Raum aus. Die Rutland Gate war weit weg.
Nicole überreichte ihm ein Glas. »Santé.«
»Auf die kleinen bezaubernden Hotels.«
Sie setzten sich vor den Kamin, und Simon begann, seine Fragen zu stellen. Nicole hatte ihre Hausaufgaben gemacht — sie wußte, wieviel Quadratmeter jedes Stockwerk hatte, alle Einzelheiten über die Arbeiten, die bereits vorgenommen worden waren, wie hoch der verlangte Preis war. Wie sie ihm bereits erzählt hatte, sollte die gendarmerie nach dem ursprünglichen Plan in kleine Wohnungen umgebaut werden. Die grundlegenden Elektro- und Sanitärarbeiten waren fertig. Das Schwimmbecken war ausgehoben und befestigt. Das Gebäude wartete nur noch auf les finitions — Verputz und Fenster und Fliesen und Beschläge, Beleuchtung und Außengestaltung, eben der aufregende Teil, der den monatelangen und kostspieligen wesentlichen, aber oft nicht sichtbaren Vorbereitungsarbeiten folgt.
»Ich weiß, es ist nicht zu beantworten, aber ich muß dir eine Frage stellen«, meinte Simon. »Was, glaubst du, wird es kosten, es fertigzustellen?«
Nicole beugte sich nach vorn und stützte die Ellbogen auf die Knie, wobei sie ihr Glas mit beiden Händen umschloß. Sie zog die Nase kraus, offenbar konzentrierte sie sich. Das Haar hinter die Ohren geschoben, sah sie wie zwanzig aus. Simon spürte, wie er sanft auf jene Bahn geriet, die von schlichter Anziehung zu etwas Komplizierterem führte.
»Die main d’œuvre der Arbeiter kann man immer ganz gut berechnen«, erwiderte sie. »Das andere hängt davon ab, welche Materialien man sich aussucht. Der Preis für Marmor ist ein anderer als der für einen Stein aus den hiesigen Steinbrüchen. Ich würde Material aus der Umgebung wählen, es sehr klar halten, nicht aufgemotzt. Und mit guten Möbeln, vielleicht ein, zwei antiken Stücken...« Sie schaute zur Decke, und Simon betrachtete fasziniert ihren schlanken Hals. »...ich schätze mal grob: sieben, acht Millionen Francs.«
»Wie lange würde es dauern?«
»Du mußt bedenken, wir sind hier in der Provence. Fünf Jahre?« Nicole lachte. »Nein, das war nur Spaß, aber wenn man hier keine Geduld hat, wird es teuer.«
»Würde es in sechs Monaten gehen?«
Nicole hob eine Hand und rieb Zeigefinger und Daumen gegeneinander. »Wenn man entsprechend zahlt und genügend Leute hat, ja. Sogar hier.«
Simon wollte noch mehr wissen, er fragte nach Architekten, Baugenehmigungen, nach der Alkohollizenz, nach Personal und einem Küchenchef. Ein Küchenchef. Er sah auf seine Armbanduhr. »Ich glaube, wir sollten uns die Küchenchefs mal ansehen. Wo möchtest du essen?«
Nicole tat, als ob sie nachdachte. Eigentlich wollte sie mit diesem lächelnden, nachlässig gekleideten Mann, der sich immer noch nicht die Haare hatte schneiden lassen, hier bleiben — ohne von Speisekarten und Kellnern behelligt zu werden.
»Es gibt drei, vier Lokale, die nicht allzu weit entfernt sind. Aber es ist Samstag. Ohne Vorbestellung... ich könnte es versuchen.« Sie zögerte, dann zuckte sie mit den Schultern. »Ich hätte aber auch eine Pasta, mit frischer Tomatensauce. Ganz einfach.«
Simon schloß verzückt die Augen, schlug dann eins auf und sah sie an. »Frische Tomatensauce? Mit Basilikum?«
»Natürlich mit Basilikum.«
»Ich werde dir helfen. In der Küche bin ich gut. Ich spüle, sorge dafür, daß das Glas des Kochs immer gefüllt ist, störe nicht.«
Nicole lachte und stand auf. » Bon. Öffnest du auch Weinflaschen?«
»Mir kann kein Korken widerstehen. Das habe ich bereits bei den Pfadfindern gelernt.« Er folgte ihr in die Küche und sah ihr zu, während sie sich eine lange Küchenschürze umband, die Ärmel ihres Pullovers hochrollte und eine Flasche Rotwein aus dem Regal nahm.
»Voilà, monsieur. Château Val-Joanis. Von der anderen
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