Hotel Pastis
Räume, die nicht so aufgemotzt sind.«
»Aufgemotzt? Was heißt das?«
Simon dachte an das Haus in Kensington, in dem er und Caroline gelebt hatten. »Nun, wenn jeder Quadratzentimeter bis zum Äußersten durchgestylt ist — wenn der Raum an sich schon so voll ist, daß Menschen nur noch störend wirken. Ich hatte einmal so ein Haus, und ich habe es gehaßt. Immer saß ich auf dem falschen Kissen oder habe Asche in das antike Porzellan fallen lassen. Es war ein schrecklicher Hindernislauf. So viel Platz, und doch kein Fleckchen, wo man leben konnte.«
Nicole nickte und lachte. »Es ist gut, daß du keine aufgemotzten Räume magst. Das wirst du gleich sehen, wenn ich es dir zeige.«
Als sie das Haus verließen und ins Dorfzentrum schlenderten, ging die Nachmittagssonne bereits allmählich im Westen unter. Herabgefallene handgroße Blätter bildeten einen gelben Teppich vor dem Café, in dem Simon seine erste Nacht in Brassière verbracht hatte, und er sah im Fenster eines Nachbarhauses, wie eine alte Frau, deren Gesicht von den Falten des Spitzenvorhangs verdeckt wurde, sie beobachtete.
Sie wandten sich der Straße zu, die vom Hauptplatz wegführte, und Simon erkannte die Fassade der alten gendarmerie wieder. Das Gebäude hatte immer noch keine Türen und Fenster, immer noch stand es verlassen da.
Nicole berührte seinen Arm. »Hast du es dir schon gedacht?« Sie blieben stehen und blickten durch das leere Gebäude auf den Lubéron — eine ganze Serie reizvoller Bilder, die von den Öffnungen in der Wand gegenüber eingerahmt wurden.
»Gib mir einen Anhaltspunkt.«
»Du hast gesagt, du willst dein Leben ändern, etwas anderes tun, non?«
Simon nickte, beim Anblick von Nicoles ernstem Gesichtsausdruck mußte er fast lachen.
Sie führte ihn durch den Eingang der gendarmerie und bahnte sich den Weg durch den Schutt zu einer der Fensteröffnungen. »Sieh her. Das hier ist der beste Blick in der ganzen Provence, und das hier...«, sie machte eine ausladende Armbewegung in dem staubigen, höhlenartigen Raum, »...das hier, nun, stell dir vor, wie es aussehen könnte. Und oben wären dann die Zimmer, und unten das Restaurant...«
»Das Restaurant?«
»Natürlich ein Restaurant, nicht allzu groß, aber mit einer Sommerterrasse, vielleicht für vierzig Leute, einer kleinen Bar an der piscine ...«
»Nicole?«
»Oui?«
»Wovon sprichst du?«
Sie lachte. »Ahnst du immer noch nichts? Das hier ist dein Hotel. Es ist perfekt. Klein, aber mit Charme — ich sehe es schon vor mir — und dann dieser Ausblick, und die meisten Arbeiten sind schon gemacht...« Ihre Stimme wurde leiser. Sie stützte sich auf ein Fenstersims aus Stein und sah Simon an. »Voilà. Das ist meine Idee für dich.«
Er zog eine Zigarre heraus und zündete sie an. Er fühlte sich wie ein Kunde, dem soeben ein unerwarteter Werbefeldzug präsentiert wurde. Es war natürlich lächerlich. Er hatte von Hotelführung keine Ahnung, und es war schon ein Fulltime-Job, das Haus zu restaurieren. Dann mußte Personal gefunden, das Geschäft aufgebaut werden — obwohl, bei seinen zahlreichen Kontakten dürfte das kein Problem sein. Jedenfalls war es eine große Sache, nicht etwas, was er, in einer Werbeagentur in London sitzend, nebenbei erledigen konnte. Es wäre ein Sprung, ein Risiko, eine totale Veränderung. Aber war es nicht genau das, wovon er immer gesprochen hatte? Und Nicole hatte recht; es wäre großartig. Er sah sie an. Sie wurde von der tiefstehenden Sonne in ihrem Rücken angestrahlt, ein Bild, wie einer Shampoowerbung entsprungen. Einmal Werbefachmann, immer Werbefachmann, nicht wahr? »Du sagst ja gar nichts, Simon.«
»Ich bin völlig überrascht. Man bekommt ja schließlich nicht jeden Tag ein kleines Hotel angeboten.«
»Kannst du dir vorstellen, wie es aussehen würde?« Nicole erhob sich und schauderte. Die Luft war kühl, und Nicole trug nur einen dünnen Pullover, unter dem sich ihre Brustwarzen abzeichneten.
»Es könnte wärmer sein. Los, komm. Ich lade dich auf einen Drink ein.«
»Das hast du bereits. Wir haben Champagner zu Hause. Anweisung des Arztes.«
Wenn du mein Arzt wärest, dachte Simon, würde ich aus dem Krankenbett nicht mehr herauskommen. »Nicole, es ist eine faszinierende Idee.« Er zuckte bei seinen eigenen Worten zusammen. »O Gott, tut mir leid. Das hört sich ja an wie bei meinen Kunden. Aber ich muß eben erst darüber nachdenken, und ich muß viel mehr wissen. Laß uns nach Hause gehen, dann kannst du
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