Hotel Pastis
Biskuitdessert. Es würde also niemand hungrig bleiben müssen.
Simon öffnete die Tür und ließ den Blick auf die leere Straße hinauf und hinunter wandern. Das Dorf lag ruhig da. Ihn überkam jener Zweifel, der jeden Gastgeber in der leeren Zeit des Wartens befällt, wenn alles fertig und noch keiner da ist. »Sie strömen ja nicht gerade in hellen Scharen herbei«, sagte er. »Vielleicht sollte ich nach Cavaillon gehen und ein paar Leute von dort holen.«
Nicole lachte. »Sie werden schon kommen, mach dir keine Sorgen. Hast du sie nicht gesehen, heute nachmittag? Das halbe Dorf war hier und hat neugierig den Kopf hereingestreckt.«
Simon erinnerte sich an ein Paar, das in der offenen Tür stand, als gerade eine Lieferung eintraf. Ein Mann und eine Frau, groß, Mitte Dreißig, blaß und dunkel gekleidet. Der Mann hatte jene Art von schmaler, etwas finster wirkender Sonnenbrille, wie sie beschäftigungslose Stars tragen, damit man sie erkennt. Die beiden hatten Simon ausdruckslos und unfreundlich angestarrt. Er beschrieb sie Nicole.
»Ach ja«, meinte sie. »Die.« Dann schüttelte sie den Kopf. »Von der Sorte, die dir nicht gefallen wird. Sie sind aus England, très snob, und enge Freunde von Ambrose Crouch.«
»Womit verdient sich der Typ denn den Lebensunterhalt?«
»Mit ihr. Er hat sie geheiratet. Sie hat ihm einen Antiquitätenladen gekauft.«
»Leben sie die ganze Zeit hier?«
»Ach, mal hier, mal in Paris. Im Dorf heißen sie nur Les Valium.«
Ernest prustete vor Lachen. »Wunderbar. Werden sie künstlich aufgeputscht, oder sind sie von Natur aus so langweilig?« Nicole zuckte die Achseln. »Was weiß ich? Sie sind sehr langsam, sehr kalt — nein, nicht kalt, sehr... blasé, wissen Sie? Sehr cool.«
»Gott steh uns bei«, rief Simon. »Ich hätte es gleich an ihrem Blick erkennen müssen. Wenn sie ihre Nase noch etwas höher getragen hätten, hätten sie Genickstarre bekommen. Sie sind Angeber. Wahrscheinlich behält er seine Sonnenbrille sogar zum Schlafen auf.«
Nicole machte ein verständnisloses Gesicht.
»Diese Leute meinen, sie seien etwas ganz Besonderes. Sie beobachten, sind aber nie selbst beteiligt. Widerliche Lästermäuler, ganz ohne Umgangsformen. Sie sind extrem langweilig. Du hast recht. Die Valiums werden mir nicht sympathisch sein.«
»Aber bitte!« rief Ernest dazwischen. »Das kann doch wohl nicht die ersehnte festliche Stimmung sein. Wir sollten uns noch in Ruhe ein Gläschen genehmigen, bevor der Ansturm beginnt. Und falls die Valiums uns mit ihrer Anwesenheit beglücken, werden wir sie in eine Ecke stellen, wo sie keinem auf die Nerven gehen können, und wenn es Zeit wird, nach Hause zu gehen, wecken wir sie auf. Was möchtet ihr trinken?«
Sie setzten sich an eines der Tischchen und tranken Rotwein, der immer noch etwas zu kühl war. Simon war nervös, und ihm war ein wenig bange, wie vor einer Sitzung, die schwierig zu werden drohte. Mal angenommen, Nicole hatte unrecht und die Dorfbewohner waren von der Idee mit dem Hotel gar nicht angetan? Angenommen, Crouch setzte alle Hebel in Bewegung und schrieb einen gehässigen Artikel? Angenommen...
»Bon soir, mes amis, bon soir.« Blanc trat ein. Er überragte eine schmächtige dunkelhaarige Dame, die neben ihm stand und die er als seine Frau vorstellte. Ihnen auf dem Fuß folgend eine Schar rotbackiger, blonder junger Leute und ein älteres Ehepaar.
»Die Dorfschweden«, flüsterte Nicole Simon zu, »sehr sympathisch, und sie tauchen immer grüppchenweise auf.« Sie stellte vor — Ebba und Lars, Anna und Carl und Birgitta und Arne und Harald — alle groß und lächelnd und perfekt englischsprechend. Wer wollte da sagen, Schweden seien kühl? Simon wurde allmählich entspannter und erläuterte seine Pläne für das Hotel. Das ältere Paar nickte. Für sie wäre ein Hotel von Vorteil. In ihrem Haus gab es nie genug Platz für die vielen Gäste, die sie besuchen kamen. Manchmal schien es, als schlafe halb Schweden bei ihnen auf dem Fußboden, und letzten Sommer, als die fasse septique verstopft war — sie schauderten und lachten und tranken ein zweites Glas Wein.
Nicole berührte Simon am Arm und machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür, wo Bürgermeister Bonetto und seine Frau wie auf der Schwelle festgewurzelt standen. Simon ging und hieß sie willkommen, und Madame rügte ihn zum Spaß. »Daß Sie sich gar nicht mehr bei uns einquartieren!« meinte sie und sah zu Nicole hinüber. »Sie haben wohl ein weicheres Bett
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