Hotel Transylvania
bedienstet war. Der Kutscher stöhnte auf. Von reichen Haushalten hatte er genug.
»Ich sah, was geschah.« Der Mann kniete nun neben ihm, ohne auf den Straßenschmutz zu achten. »Ich möchte Euch helfen, mein Herr, wenn Ihr es
gestattet.«
»Lasst mich liegen.«
»Wenn ich das tue«, sagte der Diener langsam, »wäret Ihr binnen einer Stunde tot. Eine Kutsche würde Euch zermalmen, oder einige jener Schelme, die sich an unglücklichen Reisenden vergreifen, würden Euch steinigen, um Euch Eurer Kleider zu berauben.« Er schwieg kurz und berührte die Schulter des Kutschers. »Wie lautet Euer Name? Ich bin Roger.«
Er wollte nicht antworten, aber der Diener ging einfach nicht fort. »Ich bin Hercule.«
»Nun gut, Hercule«, sagte Roger. »Ich werde nach den Lakaien meines Haushaltes schicken. Wir werden dich zu meinem Herren tragen, und gewiss wird er für dich alles tun, was in seinen Kräften steht. Du brauchst keine Angst zu haben. Er ist sehr geschickt im Umgang mit Arzneien.«
Trotz seiner Qual schnaubte Hercule verächtlich. »Welcher Herr würde mir schon helfen? Ich bin ein Kutscher ohne Beine.«
Um Rogers helle Augen spielte ein weises altes Lächeln. »Mein Herr hat mich schon oft überrascht. Ich weiß von einem Fall, wo er einem flüchtigen Leibeigenen unter großer Gefahr für sich selbst Unterschlupf gewährte und später dafür sorgte, dass der Leibeigene die ersehnte Rache nehmen konnte.«
»Er lügt.« Die Worte kamen in einem Aufschrei.
»Ach nein. Siehst du, ich war jener Leibeigene.« Er stand auf. »Ich werde mich für kurze Zeit entfernen, Hercule. Verzweifle nicht.«
Hercule wollte Roger seine Freundlichkeit ins Gesicht schleudern, aber der alte Diener war schon davongegangen. Und als Roger fort war, fühlte Hercule sich verlassen. Während Roger neben ihm gekniet hatte, war es ihm leicht gefallen, den alten Diener und seinen Herren zurückzuweisen, doch nun, da er allein auf der Straße lag und auf das Nahen von Dieben und Wegelagerern lauschte, wurde Hercule von Angst erfasst. Er konnte die Tore von Paris sehen, und die nächsten Häuser lagen weniger als eine Viertelmeile entfernt. Doch die Reisenden, die gesehen hatten, wie er niedergeschlagen wurde, waren fort, und da Roger in einem kleinen Pferdekarren davongefahren war, gab es niemanden, der ihm beistand.
Mit der Angst wuchs auch sein Hass auf Saint Sebastien. Er spürte, wie er wie Säure in seinem Verstand brannte, und zog daraus Befriedigung. Hass war stärker und beständiger als Mut, und er gab ihm die Ausdauer, der Pein in seinen Beinen lange genug zu widerstehen, dass er sich zum Straßenrand schleppen konnte.
Die Nachmittagssonne quälte ihn mit stickiger Hitze, und erst die kühle abendliche Herbstbrise brachte ihm Erleichterung. Er spürte, wie das Blut aus ihm sickerte, als er neben der Straße lag, und er dachte an das Lächeln in Saint Sebastiens Augen, als der erste rote Fleck sich auf seinen Hosenbeinen gezeigt hatte.
Ein wenig später war Hercule nur noch halb bei Bewusstsein, als eine der schönsten Kutschen, die er je gesehen hatte, mit flottem Tempo über die Straße herankam. Sie wurde von vier Grauschimmeln von gleicher Farbe gezogen, und noch in seiner Pein erkannte Hercule, dass die Pferde wundervolle Tiere waren. Er empfand eine undeutliche Verwirrung, als die Kutsche neben ihm zum Stehen kam und die Stufen heruntergelassen wurden.
Als Erster stieg Roger aus der Kutsche und trat sogleich zu ihm. »Bist du noch weiter misshandelt worden?«, fragte er beim Näherkommen.
»Nein«, antwortete Hercule mit plötzlich schwerer Zunge. »Bin gekrochen.«
»Gekrochen?«, fragte der Mann, der hinter Roger aus der Kutsche stieg. Er war mittelgroß und von kräftiger, jedoch schlanker Gestalt. Seine elegante Kleidung, die der letzten Mode entsprach, war schwarz, bis auf weiße Spitzen am Hals und den Gelenken. Schwarze Schuhe, die Schnallen mit Edelsteinen besetzt, bekleideten kleine Füße. Sein dunkles Haar war ungepudert und im Nacken mit einer festen Schleife zusammengefasst. In seinem anziehenden Gesicht, das durch eine leicht schiefe Nase nur noch interessanter wirkte, stand wache Intelligenz. Er ließ sich neben Hercule auf ein Knie nieder, als ob er nicht bemerke, dass Staub und Schmutz ihm die seidene Kleidung ruinierten. »Mein guter Mann, wer hat dir das angetan?«
»Saint Sebastien«, flüsterte Hercule, der vom zwingenden Blick des Herren plötzlich wie gebannt war.
»Saint
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