Hotel Transylvania
Sebastien«, wiederholte der feine Herr, »Saint Sebastien.« Dann wandte er sich zu seinem Diener. »Roger, das war wohl getan. Bring diesen Mann zum Hotel. Ich bin sicher, dass wir eine Tätigkeit für ihn finden werden. Ich werde mich später um ihn kümmern. Sorge dafür, dass die Wunden gesäubert werden, aber lege keine Verbände an. In den Verletzungen können sich noch Knochensplitter befinden, und sie dürfen auf keinen Fall Druck ausgesetzt werden.«
»Wer ist das?«, fragte Hercule Roger, als er behutsam in die Kutsche gehoben wurde.
Rogers Herr hörte die Frage und antwortete darauf: »Für den größten Teil dieses Jahrhunderts bin ich der Graf von Saint-Germain.«
Aus einem Brief der Comtesse d'Argenlac an ihren Bruder, le Marquis de Montalia, datiert auf den 11. Oktober 1743:
... Am gestrigen Abend besuchten wir einen Salon, damit Madelaine von der Feier der Duchess de Lyon der Nacht zuvor nicht allzu ermüdet wurde. Im Salon war Madelaine ein großer Erfolg. Saint-Germain hatte einige Stücke für ein Violoncello und eine Sängerin geschrieben. La Cressie hatte ihr neues Instrument erhalten, und der Komponist überredete Madelaine dazu, uns ihre Stimme zu leihen. Die Werke waren bezaubernd, mein teurer Bruder. In ihnen gab es nichts, wogegen selbst ein so strenger Moralist wie Ihr hätte Einwände erheben können. Madelaine sang ganz entzückend, und danach sagte Mme. Cressie, dass sie die Duette hocherfreulich gefunden habe, und bat Madelaine, doch häufiger mit ihr zu singen. Ich glaube, beide ersuchten Saint-Germain, ihnen neue Stücke zu schreiben. Er sagte, dass es eine Schande sei, wenn ihre Musik der Welt vorenthalten bliebe, und also denke ich, dass er es wohl tun muss.
Nach diesem schönen Abend könnt Ihr Euch sicher vorstellen, welch ein Schock es für uns war, zu erfahren, dass Lucienne Cressie schwer erkrankt sei. Zumindest wird dies von Achille verbreitet. Ich muss Euch sagen, dass er mir verdächtig ist. Er hat sich mehr und mehr in Saint Sebastiens und Beauvrais Gesellschaft aufgehalten. Am späten Abend des 9ten fand bei Cressie irgendeine Versammlung statt. Einige sagen, dass dort nur Achilles übliches Laster praktiziert wurde, aber ich bin mir nicht so sicher, besonders, weil Lucienne seit jener Nacht nicht mehr gesehen wurde. Ihr könnt mich eine Närrin heißen, Bruder, doch wisst Ihr selbst, welch ein Ungeheuer Saint Sebastien ist, und ich glaube, dass er erneut seine Gefolgschaft Satans um sich zu scharen sucht. Seid versichert, dass ich alles tun werde, um sicherzugehen, dass keiner dieser Männer auch nur ein Wort an Madelaine richtet.
Morgen Abend gehen wir zum Hotel Transylvania. Sorgt Euch nicht, denn ich werde nicht zulassen, dass Madelaine sich am Glücksspiel versucht. Aber es soll dort eine Fete geben mit Tanz und einem Ballett sowie der Aufführung einer Oper im italienischen Stil zu den üblichen Speisen. Gerüchteweise strebt das Hotel an, mit dem Hotel de Ville gleichzuziehen. Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber es gibt eine wundervolle Unterhaltung her, und alle Welt geht dorthin.
Ich muss Euch zu Eurer Tochter beglückwünschen. Sie ist das reine Entzücken. Ihre Manieren sind angenehm, sie hat Witz, und Konversation, und sie hat einen erlesenen Verstand. Gelegentlich überrascht sie mich mit ihren Kenntnissen. Als uns Saint-Germain beim Souper seine drolligen Erzählungen zum Besten gab, fiel sie ihm ins Wort, als er gerade eine Geschichte über Vampire begonnen hatte, und sagte, dass diese zu fürchten die allergrößte Narretei sei, da jede Art von Blut ihren Hunger stillen würde. Man sollte ihnen also nur ein Lamm oder ein Pferd anbieten, und die Sache sei erledigt. Ihr hättet Saint-Germains verdutztes Gesicht sehen sollen. Er küsste ihr die Hand und sagte, dass er ihr den Sieg zuspreche.
Später am Abend tranken wir ein Glas Wein mit le Baron und la Baronesse de Haute-Misou, und le Baron gab eine Geschichte wieder, die er in einem der Florentiner über den Bildhauer Michelangelo gelesen hatte. Sofort benannte Madelaine das fragliche Bild – die guten Schwestern, die sie unterrichteten, werden erfreut sein zu hören, dass es sich bei dem fraglichen Werk um das in der Sixtinischen Kapelle handelte – und gab die Historie des Gemäldes wieder. Le Baron war bezaubert.
Er sagte, dass es selten sei, einer jungen Frau zu begegnen, deren Kenntnisreichtum ihrem Antlitz entspricht. Madelaine sagte – und dafür dürft Ihr sie nicht
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