Hotel Transylvania
Yves
Marquis Chenu-Tourelle
3
Die offenen Türen des Hotel d'Argenlac wurden von Lakaien flankiert, die darauf warteten, die Mäntel, Hüte und andere ablegbare Kleidungsstücke des funkelnden Gästetrosses in Empfang zu nehmen, welcher ab Schlag neun für die Fete einzutreffen begonnen hatte. Sämtliche Räume im Erdgeschoss waren hell erleuchtet; jeder Kandelaber leuchtete mit langen weißen Bienenwachskerzen. In jeder Ecke eines jeden Raumes trugen hohe Kerzenbäume das Ihrige zu der Helligkeit bei, und die Wandleuchter funkelten fröhlich.
Madelaine stand neben ihrer Tante in der Empfangsreihe, und ihr schönes Gesicht leuchtete rosig vor Aufregung. Sie trug eine große Garderobe in schimmerndem Platin, deren Glanz die zahllosen Kerzen herausforderte. Der Saum war dicht bestickt, und viele Edelsteine waren in die Stickerei gewirkt worden, welche die wogende See zeigte, in der sich Tritonen und Nymphen tummelten. Die Korsage des Kleides war etwas tief ausgeschnitten und ebenfalls dicht bestickt, was die Steine ihres Halsbandes betonte, die sich aus Turmalinen und Saphiren zusammensetzten. Von ihren bis zu den Ellbogen reichenden Ärmeln fielen drei Reihen hellblauer Spitze, und ihr Unterrock war aus gerüschtem Satin, in den Zuchtperlen eingenäht waren. Ihr gepudertes Haar war einfach frisiert und rahmte ihr liebliches Gesicht mit zwei Ringellocken ein.
Neben ihr stand ihre Tante, die ein prachtvolles lavendelfarbenes Bauschkleid trug. Drei Spitzenreihen markierten die Mitte der Korsage und umrahmten die Halslinie, was sich auf Modeströmungen zurückführen ließ, wie sie vor mehr als zweihundert Jahren geherrscht hatten. Ihr Unterrock war aus passender Spitze, und in ihrem gepuderten Haar, das auf aus Pferdehaar gewobenen Polstern hochgesteckt war und eine bezaubernde Kreation ergab, trug sie ein Spitzenband. Ihr einziger Schmuck bestand aus in Gold gefassten makellosen Diamanten.
Le Marquis de Montalia trug das feine rotbraune Samt, das er in Auftrag gegeben hatte, und sein Revers und die breiten Aufschläge waren aus braunem Satin. Neben seiner Schwester und seiner Tochter wirkte er geradezu gesetzt, aber das Entzücken in seiner Miene machte seine konservative Kleidung mehr als wett.
Die Gäste waren durch die Tür fast ebenso herbeigeströmt, wie der Regen gefallen war. Um zehn Uhr waren die prachtvollen Räume zum Platzen voll, und Claudia war mit sich äußerst zufrieden. Madelaine wollte sie gerade leise ansprechen, als sie innehielt und einer eleganten Gestalt in der Tür zulächelte.
»Saint-Germain!«, rief sie impulsiv aus und knickste dann mit schelmischer Förmlichkeit.
Er vollführte seinen besten Kratzfuß vor ihr und küsste ihr die Hand in vollkommener Manier, bevor er ihr gestattete, sich wieder aufzurichten. »Wohlan, meine Liebe, Ihr raubt mir schier den Atem.«
Sie strahlte ihn an. »Heute Nacht seid Ihr selbst gar prächtig aufgeputzt. Die
schwarze Paspelierung über die Länge des Rockes hinauf ist sehr einnehmend.«
Er lächelte ob ihrer Kühnheit. »Es ist mein bescheidener Wunsch, Euch Freude zu bereiten«, murmelte er.
»Auch noch doppelte Strumpfhalter. Ich glaube, das wird der letzte Schrei«, sagte sie und musterte ihn kritisch. Von seinem in Wellen gelegten und gepuderten Haar bis zu den schwarzen Brokatschuhen war er ohne Fehl und Tadel. Die schwarze chinesische Brokatseide seines Rockes zeigte die Bilder von Phönixen, die aus ihrer schwarzen Asche aufstiegen. Seine Weste war fast so lang wie der Rock und ebenfalls schwarz, allerdings mit tief dunkelroter Stickerei versehen, die eine allegorische Einhornjagd darstellte. Gegen seine schwarzen Strümpfe kontrastierten die doppelten silbernen Halter mit beunruhigender Wirkung, und die Rubinbrosche, die sie fest unterhalb des linken Knies festhielt, leuchtete wie etwas Lebendiges. Die tiefen Aufschläge waren bis zum Ellbogen umgelegt und aus schwarzem Samt, das an den falschen Knopflöchern mit Silber gesäumt war. Er trug ein üppiges und rein weißes Halstuch aus belgischer Spitze, das den üblichen Rubin an seinem Hals betonte. Seine dunklen Augen ruhten eine Sekunde lang auf Madelaine, so dass sie die darin Dunkelnde Leidenschaft erkennen konnte.
Dann wandte er sich le Marquis de Montalia zu, verneigte sich achtungsvoll und sagte: »Ich bin Saint-Germain. Zweifellos habe ich die Ehre, das Wort an Robert de Montalia zu richten.«
»Der bin ich, mein Herr«, sagte Madelaines Vater, dem die
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