Hotel van Gogh
Erstautor ist hier nicht fünfzig Jahre alt.
Zu meiner Überraschung antwortet die Agentin wenige Tage später. Wenn Lauren mich empfehle, möchte sie sich das Manuskript auf alle Fälle ansehen.
Endlich habe ich eine Antwort auf die lästige Frage, wann man das Buch lesen könne.
»Es liegt bei meiner Agentin in München.«
Hochachtungsvolle Blicke, das hat mir offensichtlich niemand zugetraut und nun habe ich es anscheinend doch geschafft.
Allerdings, nachdem ich einige Wochen nichts höre, werde ich unruhig. Schließlich frage ich bei ihr nach: »Haben Sie mich vergessen?« Drei Tage später die Antwort. Was bedeuten ein paar Tage, nachdem ich mir fünfzig Jahre Zeit gelassen habe?
»Nein, nein, ich habe Sie nicht vergessen! Ich habe Central Park South mit großem Interesse gelesen und sage Ihnen gleich, dass ich das Buch sehr gern vertreten möchte.«
Der Rest ihres Schreibens verfließt vor meinen Augen. Ich habe den Beweis erbracht, mein Ausbruch hat sich gelohnt, die drei Jahre waren nicht umsonst!
Kurz darauf erhalte ich den Agenturvertrag. Zwischen Arthur Heller, im Folgenden genannt »Autor« und der Agentur. Ich betrachte mich im Spiegel, ein unbändiger Stolz in meinen Augen. Autor, das neue Leben, es hat endgültig begonnen.
Für die Frankfurter Buchmesse erwartet sie von mir eine zweiseitige Zusammenfassung, einen Aufreißer, wie sie es nennt, und außerdem einige Kopien des Manuskripts, die sie gezielt verteilen wolle. Sie sei überzeugt, dass sich am Ende mehrere Verlage um die Rechte an Central Park South reißen würden.
Ich biete an, sie zur Buchmesse zu begleiten, bei der Vermarktung des Buchs müsse es doch von Vorteil sein, den Autor dabei zu haben. Aber sie winkt ab, das Manuskript müsse für sich selbst sprechen, auf den Autor käme es in dieser Phase nicht an, er würde, sie müsse das so sagen, sogar nur stören. In meinem Geschäft hatte ich es früher auch nicht gern gesehen, wenn mir jemand hereinredete.
Zwei Wochen nach der Buchmesse bin ich mit der Agentin im Bayerischen Hof in München verabredet. Ein föhnig sonniger Herbsttag, meine Zuversicht ist kaum zu bändigen. Allerdings liegt noch keine Zusage vor, dagegen die Absagen einiger namhafter Verlage.
»Das will nichts heißen, die Absagen treffen immer zuerst ein. Entscheidend ist die Liste der Verlage, denen das Manuskript zur Prüfung vorliegt und die sich bisher nicht geäußert haben, es also nicht spontan ablehnen.«
»Lässt sich denn aus den Absagen ein Trend herauslesen?«
»Dem einen ist das Buch nicht literarisch genug, was immer das heißen mag, der nächste stößt sich an einer Sexszene, aber die meisten Absagen erfolgen ohne handfeste Begründung. Keine Sorge, Ihr Buch ist spitze!«
In den folgenden Wochen teilt sie mir weitere Absagen mit. Wie vergiftete Pfeile dringen sie in mich ein. Ich habe mich mit meinen Hoffnungen zu weit nach vorne gewagt, nun stürze ich ins Bodenlose.
Eines Nachts träume ich von einem Verleger, etwa in meinem Alter und auf derselben Wellenlänge wie ich. Der muss mich doch verstehen, sage ich mir in meinem Traum. Das Manuskript gefalle ihm auch, versichert er, aber im entscheidenden Moment weicht er aus. An die Begründung für seine Ablehnung erinnere ich mich nicht. Ich rede wild auf ihn ein, will unser Gespräch nicht abbrechen lassen, er ist meine einzige Verbindung in diese mir fremde Welt, aber dann zerfließen die Bilder. Zurück bleibt das Gefühl einer grenzenlosen Enttäuschung.
Es war nur ein Traum, sage ich mir. Aber es wird immer schwerer, der Wirklichkeit aus dem Weg zu gehen.
Ich bemerke Françoises verstohlene Blicke. Die Leichtigkeit zwischen uns, die mir bisher über alle Schwierigkeiten hinweggeholfen hat, erscheint mit einem Mal erzwungen. Das Mädchen hat auch mich in den Abgrund gezerrt. Sie war meine Droge, nun ist sie zum Verhängnis meiner Flucht nach Paris geworden.
Mit fünfzig Jahren ist das Leben gelaufen. Es lässt sich nicht einfach auf den Kopf stellen.
Ich bin unzufrieden, meine Selbstzweifel und meine innere Unruhe bleiben Françoise nicht verborgen. Ich bin erleichtert, als sie auszieht und unser Verhältnis beendet.
Bei einem meiner zahllosen Gänge durch die Nachbarschaft entdecke ich in einem Buchladen ein mir unbekanntes Buch von Albert Camus, von dem ich glaubte, längst alles gelesen zu haben. Der erste Mensch , ein unvollendeter Roman, der nun dreißig Jahre nach seinem Tod verlegt wurde. Wie eine Stimme vom anderen Ufer. Camus
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