Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
Vom Netzwerk:
amerikanische Modejournal Womens Wear Daily schreibt, eine von sich selbst überzeugte New Yorkerin.
    »Woher kennst du Jean, und was machst du hier in Paris?«
    »Ich schreibe gerade meinen zweiten Roman.«
    »Ich habe siebzehn Bücher über Architektur und Innenausstattung in den USA veröffentlicht, einige auch international.«
    »Meine Agentin hat ihr Geschäft aufgegeben, bevor sie mein erstes Buch platzieren konnte. Ich stehe damit wieder am Anfang.«
    »Warum machst du weiter, wenn sich niemand dafür interessiert?«
    Ich bin verblüfft, auf eine solche Offenheit war ich nicht gefasst.
    »Ich muss einfach«, antworte ich schließlich.
    Dabei fällt mir Gérard Dechaize ein. Hätte ich diese Journalistin fragen sollen, welchen Rat sie van Gogh gegeben hätte?
    Tags darauf fliege ich nach Berlin, um Central Park South mit der Lektorin zu besprechen. Etwas lehrerinnenhaft auf den ersten Blick, aber in ihrem Verhalten sehr aufmunternd. Ich fasse sofort Vertrauen zu ihr.
    Als wäre ich noch einmal mit dem Drogenmädchen verabredet. Wir benötigen drei Tage, bis wir das Manuskript Wort für Wort durchgekämmt haben. Am Ende fühle ich mich restlos erschöpft, aber ich bin glücklich. Ich hatte in dieses erste Buch alles hineingelegt, das mich bewegte, sozusagen mein Herzblut, und meine Lektorin hat wie mit der Pinzette jedes noch so kleine Herzstück herausgefischt, bis am Ende mein Herz aus vielen Teilchen zusammengesetzt vor mir liegt. Fast um ein Drittel gekürzt, erscheinen das Drogenmädchen und der Banker lebendiger als zuvor. So hätte der Roman von Anfang an aussehen müssen.
    Ein neues Selbstbewusstsein beflügelt mich bei der Rückkehr von meinem Berlinaufenthalt nach Paris. Meine Lektorin nimmt mich als Schriftsteller ernst und stellt mich als Späteinsteiger oder als Quereinsteiger nicht in Frage. Auf dem Flug kreisen meine Gedanken um Jean, um sie und mich und unsere Zukunft. Der Autor mit seiner blonden Amerikanerin. In ein paar Stunden werden wir im sommerlichen Abendwind Arm in Arm den Boulevard Saint-Germain entlang bummeln.
    In meiner Wohnung empfängt mich eine rote Rose auf dem Eingangstisch, daneben ein Brief von Jean. Sie ist am Vormittag nach Kalifornien zurückgeflogen. Ich hasse Abschiede , schreibt sie.
    Ich hätte dem Glück nicht trauen dürfen, es wird zurückgefordert, früher oder später, am Ende addiert sich alles auf null. Als ob ich das nicht gewusst hätte. In dem Augenblick, in dem ich das Drogenmädchen zurückgewonnen habe, verliere ich Jean.
    In der abendlichen Dämmerung sitze ich niedergeschlagen in meinem Arbeitszimmer. Ich merke nicht, wie es allmählich um mich herum dunkel wird. Plötzlich weiß ich nicht mehr weiter.
    Dabei ist der erste Teil der Burgkinder so gut wie abgeschlossen und Central Park South harrt seiner Neufassung! Aber was bedeutet das schon? Durch Jean haben sich meine Prioritäten verschoben. Ich sehne mich nach ihrem Körper, ihrem Lachen und ihrer Unbekümmertheit. Nachts allein im Bett spüre ich, wie mich meine selbstbewusste Kalifornierin zu Sarah drängt. Sarah, die junge Jüdin, die mich aus ihren ruhigen Augen herausfordernd, aber auch etwas verunsichert anblickt. Die dunkelhaarige Sarah, die ich nicht kenne. Ihre sonnengebräunte Haut wie weicher kühler Samt. Vor drei Jahren war ich Sarah noch nicht gewachsen. Jetzt zieht es mich mit aller Gewalt zu ihr.
    Oder hat es mit Jean zu tun, weil Jean Jüdin ist, und Jean mir in diesem Augenblick mehr als alles auf der Welt fehlt?
    Weil mich Jean verlassen hat, drängt sich mir Sarah auf. Aber schreibst du damit nicht über Jean? Du darfst Sarah durch niemanden austauschen!
    Ich liege die ganze Nacht wach, richtungslos rasen meine Gedanken. Um fünf Uhr morgens klingelt das Telefon. Jean ruft aus San Francisco an.
    »Die Sonne sinkt gerade vor mir in den Pazifik, um gleich bei dir wieder aufzugehen. So nahe sind wir beieinander!«
    »Ich weiß nur, wie sehr du mir fehlst. Warum hast du mich verlassen?«
    »Ich werde immer bei dir sein. Und du bei mir. Auf die Entfernung kommt es nicht an.«
    Beim ersten Morgengrauen jogge ich durch die menschenleeren Anlagen der Tuilerien. Paris erwacht, ein sich träge räkelnder Riese. Jean ist mir meilenweit voraus, als sei sie bereits mit dem nächsten Kapitel unserer Geschichte vertraut, während für mich alles neu ist.
    Ich mache mich an die Korrektur von Central Park South . Zurück zu dem gleichförmigen Tagesablauf. Nach drei Monaten sende ich meiner

Weitere Kostenlose Bücher