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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
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ich postwendend eine Antwort: Ihr Werk gehört leider nicht zu der Art von Texten, die wir für das Programm unseres Hauses suchen. Die Unterschrift mit Stempel. Niemand kann das Manuskript gelesen haben, die Absage erfolgte unmittelbar am Tag des Eingangs meiner Unterlagen! Ob es an der Eilzustellung lag, die beim Verlag irritierte?
    Wenigstens fühle ich mich von der Standardabsage nicht persönlich getroffen. Aber ich gebe weitere direkte Versuche auf. Mittlerweile bin ich zur Hälfte mit dem ersten Entwurf der Burgkinder durch. Wohl oder übel werde ich zu den Schriftstellern gehören, denen erst mit ihrem zweiten Buch die Veröffentlichung gelingt. Ich bin kein Einzelfall, damit kann ich mich abfinden.
    Nur selten noch erkundigen sich Freunde nach meiner Arbeit. Ungestört arbeite ich Tage und Wochen an den Burgkindern . Nachmittags, nach Stunden mit dem Sohn der Burgfamilie bei den Studentenunruhen in Berkeley und zwei oder drei neuen Seiten Text, fühle ich mich restlos glücklich. Dasselbe Glücksgefühl, das ich damals auch beim Schreiben von Central Park South empfunden habe.
    Täglich telefoniere ich mit Jean. Die Grundstimmung des Berkeleysegments ist lockerer als der erste Teil des Buches. Natürlich hat dies mit ihr zu tun. An einem bestimmten Punkt gehen mir allerdings die notwendigen Informationen aus. In der Bibliothek der Sorbonne aus Büchern und alten Zeitschriften das Aufbegehren der amerikanischen Jugend während des Krieges in Vietnam nachlesen oder die nächste Phase erneut unter Jeans Anleitung in Kalifornien erforschen?
    Aber Jean steht zu meiner Überraschung unmittelbar vor der Abreise nach Nepal. Erst zum Trekking mit der Gruppe von Frauen, mit der sie damals die Besteigung des Mt. Shasta unternommen hatte, und danach allein zum Meditieren in einem abgelegenen Kloster in Bhutan. Um in klösterlicher Abgeschiedenheit das Fundament für ihr neues Leben zu entwickeln.
    »Bei deiner Rückkehr wird mein Roman über die deutsche Schriftstellerfamilie und deine Familie stehen. Ich werde ihn dir widmen.«
    »Und wenn ich mich unter dem Einfluss der Mönche so verändere, dass du, der erfolgreiche Autor, dann nichts mehr mit mir zu tun haben willst?«
    Ohne unsere täglichen Telefonate fühle ich mich ziemlich einsam. Nur beim Schreiben, egal wie schwer es mir gelegentlich fällt, bin ich zufrieden. Ich lebe mitten in Paris wie auf einer einsamen Insel. Aus der Ferne verfolge ich die Frankfurter Buchmesse. Wenn alles nach Plan verlaufen wäre, wäre Central Park South dort jetzt vorgestellt worden. In der Literaturbeilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lese ich einige Besprechungen von Neuerscheinungen deutscher Autoren. Umso schwerer fällt es mir, die Ablehnung von Central Park South zu begreifen.
    Nie in meiner Laufbahn als Unternehmer habe ich mich so hilflos gefühlt. An Erfolg gewöhnt, hatte ich erwartet, dass es so in meinem neuen Leben weitergehen würde. Die Rolle des Bittstellers liegt mir nicht.
    Wenn die Publikumsverlage sich sperren, warum dann nicht eine Veröffentlichung im Eigenverlag?
    Natürlich, finanziell wäre das kein Problem.
    Aber was wäre damit bewiesen?
    Während es mir ursprünglich allein darum ging, mit vierzig oder fünfundvierzig Jahren Bücher zu schreiben, ist es mir in der Zwischenzeit, insbesondere unter dem Einfluss von Jean, genauso wichtig, als richtiger Schriftsteller anerkannt zu werden. Und die Anerkennung erfolgt eben nur durch die Veröffentlichung. Sein ist Wahrgenommenwerden. Dieser Stempel der Bestätigung, der sorgsam von Scharen namenloser Türsteher gehütet wird.
    Monatelang erhalte ich keine Nachricht von Jean. Abgetaucht hinter Klostermauern im Schatten des Himalajas. Der tiefe Blick nach innen, Schicht für Schicht die Ablagerungen abtragen, bis sie den Zustand der absoluten Reinheit erreicht.
    Die Burgkinder zwingen mir mein eigenes mönchisches Dasein auf. Während die Überlebenden der Kriegsgeneration wie versteinert in der Vergangenheit am Rhein verharren, hat sich die dritte Generation beider Familien in der Gegenwart in Amerika verbunden und nimmt zukunftsorientiert am technologischen Fortschritt der Wachstumsfirmen des Silicon Valley teil. Ursprünglich stand der Verfall der Dichterfamilie im Vordergrund, mittlerweile ist daraus ein Wettstreit der Werte geworden: die Weltoffenheit und die Bereitschaft zum Risiko in Jeans Familie gegenüber der Voreingenommenheit, der Resignation und dem Festhalten am Bestehenden bei den Nachfahren

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