Hotel van Gogh
deutscher Freund damals im Jahr 1965 für alle Zukunft mit ihrer Liebe abzuwenden gehofft hatten.
Nach drei Monaten frage ich bei meiner Agentin wegen der Burgkinder nach. Sie benötige noch ein wenig Zeit, aber der Text gefalle ihr, ich mache im Schreiben große Fortschritte, wenn es so weiterginge, käme ich bald ohne sie aus. Sie werde auch in Kürze einen früheren Kollegen, der jetzt erfolgreich als Agent arbeite, auf mich ansprechen.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer, und ich verliere mich in Träume. Der neue Agent und mein zweites Buch. In den Träumen erscheint alles möglich.
Für Sarahs Paris suche ich weiterhin verzweifelt nach einem passenden geschichtlichen Mossad-Projekt. Unzählige Stunden in der Bibliothek der Sorbonne. 1965 befand sich die europäische Zentrale des Mossad in Paris. Da muss es doch etwas geben!
Ich fühle mich seltsam jung unter den Studenten. Ich studiere ihre Gesichter, Steffen, der deutsche Student, ist in ihrem Alter, als er sich in Sarah verliebt. Stundenlang laufe ich durch das Quartier Latin. Überall um mich spüre ich Sarah. Ihre Zeit ist endgültig gekommen.
Eher zufällig stoße ich auf die Affäre Ben Barka, der marokkanische Exilpolitiker, der im Oktober 1965 vor der Brasserie Lipp im Zentrum von Saint-Germain-des-Prés entführt wurde. Entführt von zwielichtigen Typen der Pariser Unterwelt, im Zusammenspiel mit dem marokkanischen und französischen Geheimdienst. Ich lese alte Zeitungsartikel, finde Bücher über die Entführung, alles, was über den Vorgang bekannt ist, wo die Wirklichkeit aufhört und die Vermutungen beginnen. Eine der Vermutungen ist, dass der Mossad in die Affäre Ben Barka verwickelt war. Aber nirgends ein Beweis, nichts Stichhaltiges.
Im Ungewissen bietet sich eine Öffnung für Sarah. Ich lasse sie als Mossad-Agentin an der Entführung Ben Barkas beteiligt sein. Ihre Beziehung zu dem jungen Deutschen kommt völlig ungelegen, aber Liebe lässt sich nicht befehlen. Die deutsch-jüdische Liebesgeschichte kollidiert mit der jüdisch-arabischen Zweckgemeinschaft der Geheimdienste.
Ich reise zur nächsten Besprechung nach Berlin.
»Du bist Schriftsteller, das merkt man schon.«
Das Lob der Lektorin tut gut. Ich kehre zuversichtlich und selbstbewusst aus Berlin zurück. Allerdings teilt sie mir einige Tage später mit, dass der befreundete Agent, den sie angesprochen habe, total ausgelastet mit Autoren und Projekten sei, er mache schwerpunktmäßig Sachbücher, und in der Belletristik nur junge neue Autoren, in die Verlage auf lange Sicht zu investieren bereit seien. Ich solle bei kleinen Verlagen nachfragen, die mit einem Druckkostenzuschuss arbeiten, wenn es keinen anderen Weg gebe.
Als renne ich wie blind gegen dieselben verschlossenen Türen. Oder wie blöd. Und trotzdem gebe ich nicht auf, gegen die bequeme Vernunft der anderen, dieses aussichtslose Projekt endlich abzubrechen. Aber mir bleibt nichts anderes übrig, solange Sarahs Geschichte nicht geschrieben ist.
Eine englische Freundin kommt für ein paar Tage aus London zu Besuch. Als sie nach dem Sex erschöpft auf mir liegt, bemerkt sie Unser Mann in Havanna auf meinem Nachttisch.
»Ich kenne seinen Neffen, heißt auch Graham Greene, vielleicht hat der einen Kontakt für dich.«
»In Deutschland? Doch wohl kaum!«
Aber kurz darauf erhalte ich tatsächlich eine knappe E-Mail von ihm mit der Adresse einer Agentin in Hamburg, eine relativ kleine Agentur, jedoch mit solider Erfahrung, fügt er hinzu. Viel Glück, Ihr Graham Greene.
Das Glück, darauf kommt es an! Weil ich gerade ein Buch von Graham Greene lese, hilft mir sein Neffe weiter. Glück oder Zufall. Am Ende läuft es auf dasselbe hinaus.
Die Agentin verspricht, sich das Manuskript anzusehen, jedoch habe sie momentan mit anderen Projekten zu tun, in die sie schon viel Zeit investiert hätte. Aber bereits nach wenigen Wochen finde ich ein Paket an der Eingangstür, in Manuskriptgröße. Das sagt alles, den Brief will ich erst gar nicht öffnen.
Sie habe Teile des Manuskripts gelesen. Ihrer Erfahrung nach hätten Stoffe, die ausschließlich in fremden Ländern angesiedelt seien, auf dem deutschen Buchmarkt nur als Übersetzung eine Chance.
Auf das Alter des Autors war ich vorbereitet. Aber Ort der Handlung?
Damit ist das Schicksal des Drogenmädchens endgültig besiegelt, keine weitere Demütigung, auch nicht mit Die Burgkinder , warum sollte es bei ihnen anders verlaufen?
Ich setze alles auf Sarah.
Mein Weitermachen lässt
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