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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
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Schwager. Unter welchem Vorwand sie ihn abgeschüttelt hat? Jedenfalls hat sie gehandelt, ich steigere mich nicht in etwas hinein, das es nur in meiner Vorstellung gibt. Ziba will es genauso wie ich.
    Ich muss nicht lange warten. Mit einer kleinen Handbewegung streift sie das Kopftuch ab, schwarzes Haar fällt weich um ihr Gesicht, sie lacht mich übermütig an. Genau wie ich Sarah beschrieben habe, mit diesem ausgelassenen, alles bezwingenden Blick, und doch immer ein Anflug von Ungewissheit. Ich umarme sie, küsse ihre Lippen, atme ihren einzigartigen Duft.
    »Ich muss in der Bibliothek arbeiten, habe nur eine Stunde Zeit, dann holt mich mein Schwager ab. Aber besser als nichts.«
    »Ich verstehe dich nicht, Ziba! Warum dieses Versteckspiel? Ich kenne Iraner in Paris, die normal wie alle anderen leben.«
    »Sie haben sich Paris als ihre neue Heimat gewählt, dagegen bleibt unser Ziel, einmal in einen freien Iran zurückzukehren. Allerdings habe ich nie damit gerechnet, dass mein Schicksal eines Tages in der Hand meines Schwagers liegen würde.«
    »In Frankreich unterstehst du dem französischen Recht. Du kannst entscheiden, ob du mit mir kommen willst, jetzt, hier und heute. Bei mir in Saint-Germain-des-Prés würde dich niemand finden.«
    »Mein Schwager schert sich nicht um das französische Recht. Das islamische Recht verleiht ihm seine Macht. Die Ehre der Familie geht ihm über alles. Ich wäre niemals frei.«
    »Als hättest du keine Rechte!«
    »Natürlich habe ich Rechte, aber letzten Endes bestimmt er. Es sei denn, ich heirate wieder, aber dann natürlich nur einen Muslim.«
    »Das dreht sich im Kreis.«
    »Wir kennen uns doch kaum, woher weiß ich, dass du mich nie verlassen wirst? Ich kann mir vorstellen, mit dir zu leben, aber ich habe Angst.«
    »Du musst mir vertrauen. Erinnerst du dich an diese Empfindung, als wir uns zum ersten Mal sahen. Was für ein Zeichen brauchst du noch?«
    Wir blicken uns schweigend an, ich streiche über ihr Haar.
    »Ich bin zum Arbeiten hier«, sagt sie schließlich.
    Sie geht voraus in die kleine Bibliothek im hinteren Teil des Gebäudes. Überwältigend die Menge an Abhandlungen über van Gogh.
    »Du schreibst an einem Buch über van Gogh? Wie sieht es damit aus?«
    »Erzähl mir von ihm hier in Auvers, wie du ihn siehst, dieses getriebene Weitermachen trotz aller Ablehnungen. Ich beschreibe Vincents letzte Tage aus der Sicht von Theo van Gogh, seinem Bruder, ohne den er ja nie etwas geworden wäre. Was hältst du davon?«
    »Theo ist kurz nach ihm gestorben. Johanna war entscheidend für seinen Erfolg.« Ziba schaut mich spöttisch lächelnd an. »Typisch, die Frau wird auch von dir übergangen. Über sie solltest du schreiben!«
    »Wir könnten dies zu unserem gemeinschaftlichen Projekt machen, du übernimmst die Forschung hier. Über Johanna weiß ich nicht viel.«
    Ich beobachte Ziba beim Einordnen von Büchern, Katalogen und Abhandlungen und beim Eingeben in den Computer. Gelegentlich blickt sie auf die Uhr.
    »Und wie hast du dir das Weitere vorgestellt?«
    »Bei der geringsten Möglichkeit melde ich mich wieder. Wahrscheinlich hast du recht, ich sollte einfach mit dir irgendwohin gehen, wo mich keiner findet.«
    Sie blickt mich plötzlich traurig an. Impulsiv nehme ich ihre Hand und dränge sie die Treppe hoch in die Mansarde van Goghs. Keine Besucher, wir sind allein, die Geräusche des Restaurants gedämpft wie aus weiter Ferne. Widerstandslos lässt sie sich umarmen, meine Hände gleiten über ihren Körper, plötzlich besitze ich sie ganz. Ihre Augen sind geschlossen, als sei die Welt um uns vergessen. Ihre zarte, weiche, heiße Haut. Ineinander verschlungen sinken wir auf den Boden, sie auf mir sitzend mit einem leichten Stöhnen.
    Ich spüre ihren Herzschlag, höre ihren schnellen Atem. Wir liegen regungslos zusammen, jede Zeit ist aufgehoben. Als sie die Augen öffnet, lacht sie mich an, frei und ungezwungen. Plötzlich steht sie auf.
    »Ich muss los, mein Schwager! Ich liebe dich, es muss einen Weg geben!«
    Sie ist wie verwandelt, streift ihre Kleider zurecht, während ich ihr noch auf dem Boden sitzend zuschaue. Sie neigt sich mit einem letzten Kuss zu mir, dann höre ich sie die Treppe hinuntereilen. Langsam stehe ich auf, suche noch ihren Duft in der leeren Kammer.
    Ich esse im Restaurant zu Mittag, vergeblich warte ich eine Zeitlang auf Gérard. Als ich in mein Auto einsteige, sehe ich einen Mann, der aus einem Hauseingang heraustritt. Ich erkenne

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