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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Bechtle
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sofort ihren Schwager. Beim Anfahren rennt er hinter mir her, schleudert mir einen Stein nach, der mein Auto knapp verfehlt. Mit drohend erhobener Faust bleibt er in der Straßenmitte stehen. Dieser Augenblick des Glücks mit Ziba, aber in Wirklichkeit bleibt es aussichtslos wie zuvor.
    Wochen sind seit unserem Treffen im Van-Gogh-Haus vergangen. Dabei könnte Ziba doch ohne weiteres von dort aus anrufen! Man kann Vorsichtsmaßnahmen auch übertreiben. Als ich gerade an einer Stelle meines Buches heillos ins Stocken geraten bin, nehme ich, als das Telefon klingelt, entgegen meiner sonstigen Gewohnheit mitten am Tag den Hörer ab. Eine heisere Stimme mit hartem Akzent.
    »Hallo, wer bist du, wie heißt du?«
    Es muss ihr Schwager sein. Durch das Telefon höre ich sein raues Atmen.
    »Wen möchten Sie sprechen? Ich glaube, Sie haben sich in der Nummer geirrt«, antworte ich gereizt.
    »Nein, habe ich nicht, ich habe die Nummer hier, vor mir, auf einem Stück Papier. Wer bist du, woher kennst du sie?«
    »Es tut mir leid, ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Ich lege ohne weitere Erklärung auf. Kurz darauf klingelt das Telefon erneut, später höre ich seine kratzige Stimme auf dem Anrufbeantworter: »Wenn ich dich erwische, steche ich dich ab, wie ein Schaf!«
    Am nächsten Tag rufe ich unter einem Vorwand bei Gérard an. Natürlich durchschaut er mich sofort.
    »Siehst du einen Weg, wie ich mit ihrem Schwager zurande kommen kann?«
    »Wir leben unser Leben, die Iraner das ihre. Ich kann dir nicht helfen.«
    Mir bleibt nur abzuwarten. Und die Flucht zurück zu Sarah. Nach der Entführung Ben Barkas vor der Brasserie Lipp taucht sie unter, aber alles deutet darauf hin, dass, wenn der Sturm sich einmal gelegt hat, sie und Steffen sich endgültig finden werden. Der zukunftsweisende Ausgang bei Sarahs Paris schält sich erst im Laufe der Zeit heraus. Natürlich hat es mit Ziba zu tun. Wenn Steffen und Sarah sich gegen alle Hindernisse ihrer Umwelt durchsetzen, warum sollten wir es dann nicht auch schaffen?
    Eines Nachmittags, für den Tag mit dem Schreiben fertig, trete ich ans Fenster in meinem Wohnzimmer. Gegenüber vor der École des Beaux-Arts fällt mir ein Mann auf. Er trägt einen grauen Anzug, darunter einen dunklen Pullover, sein Hemdkragen ist offen. Jünger als ich und stämmiger gebaut, ein bärtiges Gesicht und kurze schwarze Haare. Zibas Schwager, auf der Suche nach mir! Unwillkürlich fasse ich mir an den Hals. Ich wage kaum noch zu atmen, trete einen Schritt vom Fenster zurück, obwohl er mich nicht sehen kann. Endlich geht er weiter, gemächlich die Rue Bonaparte hoch Richtung Boulevard Saint-Germain.
    Abends auf dem Weg zum Abendessen mit Freunden in einem Restaurant in der Rue de Buci stehe ich plötzlich dem Mann gegenüber, aber dann erkenne ich, dass ich mich getäuscht habe, ein anderer Araber. Vielleicht handelte es sich bei dem Mann am Nachmittag auch nicht um ihren Schwager, ich leide unter Verfolgungswahn.
    Endlich die erste Fassung von Sarahs Paris ! Vor zehn Jahren habe ich deswegen meine Firma verkauft. Schon ein verdammt langer Weg. Hat sich das nun gelohnt?
    Als hätte ich das Ziel einer langen Reise erreicht. Entlang des Weges gab es herbe Enttäuschungen, ich habe gelitten und war verzweifelt, aber nun verwandeln sich die Niederlagen, die nun einmal Teil einer solchen Reise sind, doch noch zum Sieg. Drei Manuskripte, das kann mir niemand nehmen.
    Im Schreiben habe ich den Sinn meines Lebens gefunden. Die zehn Jahre sind nicht vertan, ganz im Gegenteil. Ich habe den Beweis erbracht.
    Allerdings werde ich erst dann ein neues Buch beginnen, wenn Sarahs Paris veröffentlicht ist. Wenn nicht Sarah, dann eben überhaupt nicht.
    Meine Lektorin wird für ihre Überarbeitung mindestens drei Monate benötigen, unterstellt, dass sie nicht gerade an einem eigenen Buch schreibt. Während dieser Zeit darf ich Sarah nicht anfassen, auch nicht die Burgkinder oder das Drogenmädchen. Die Welt meiner Bücher, die zu meiner eigentlichen Welt geworden ist, bleibt mir mit einem Mal verschlossen. Ich stehe unschlüssig einem Alltag gegenüber, mit dem ich nichts anzufangen weiß. Ungenutzt verstreicht ein Tag nach dem anderen.
    Manchmal male ich mir aus, was Ziba und ich jetzt unternehmen könnten, unser gemeinsames Leben, das es nur in meinen Träumen gibt. Und das immer eine Illusion bleiben wird, solange sie nicht auszubrechen wagt. Andererseits kann ich unmöglich drei Monate untätig sein. Eigentlich ein

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