Hotel van Gogh
einsteigen«, sagt Sabine zu Peter beim Verlassen der Polizeistation.
»Er wird kaum daran vorbeikommen, denn nun werden ihn Paris und die Presse dazu zwingen.«
Bevor sie nach Paris zurückfahren, will Peter nochmals mit Gérard Dechaize die weitere Vorgehensweise zu seinem Vorschlag eines Mergers des Van-Gogh-Hauses mit dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam besprechen.
»Ich möchte sicher sein, dass ihm die Sache ernst ist, wenn ich mich schon damit befasse!«
Sabines Handy klingelt, der Verleger aus Frankfurt, als komme er nicht mehr ohne sie aus.
»Frau Bucher, gut dass ich Sie erreiche! Sie machen sich ja keine Vorstellung, was hier los ist! Der Grund meines Anrufs: Ich muss mit Ihnen die Termine Ihrer ersten Lesereise abstimmen. Zwei Wochen Anfang November wären zeitlich genau der richtige Abstand nach der Werbewelle auf der Buchmesse. Wir haben Berlin, Leipzig, München et cetera bereits gebucht.«
»Lesungen? Ich bin doch nicht der Autor.«
»Na ja, in gewissem Sinne schon. Das Buch erscheint als Roman von Arthur Heller, in der Überarbeitung von Sabine Bucher.«
»Herr Dr. Zapf, das geht mir zu schnell, ich kann mich dazu jetzt nicht äußern. Ich bin noch in Frankreich.«
»Natürlich, das hätte ich fast vergessen. Haben Sie in seiner Wohnung die anderen Manuskripte gefunden? Sie sollten unbedingt sämtliche Unterlagen mitbringen, man kann nie wissen.«
»Ich bin in Auvers.«
»In Auvers, warum?«
»Ihre Propaganda hat hier einen riesigen Wirbel ausgelöst. Übrigens muss ich Ihnen noch mitteilen, dass Heller keinen Selbstmord begangen hat. Arthur Heller wurde erschossen. Die Polizei geht von einem Unfall aus. Am selben Morgen lief eine großangelegte Polizeiaktion hier im Ort, gegen iranische Terroristen. Es habe sich dabei ein Schuss gelöst, meint man jetzt, und ein Unbeteiligter sei getroffen worden, Arthur Heller. Also sozusagen ein Kollateralschaden, jedenfalls kein Selbstmord, kein Nachahmer.«
Sie hört nur das schwere Atmen des Verlegers.
»Was machen wir jetzt?«, er klingt, als wäre ihm die Luft ausgegangen. All die Wörter, mit denen er ständig lebt, plötzlich haben sie ihn verlassen.
»Sie waren einfach zu voreilig!«
»Verblutet im Sterbezimmer van Goghs, wo Sie ihn doch selbst identifiziert haben, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, das stimmt aber doch noch?«
»Nachdem er angeschossen wurde, hat er es bis dorthin geschafft. Warum, wissen wir nicht. Er besaß die Schlüssel zum Haus und zu dem Zimmer, so viel ist bekannt.«
»Dann ist ja alles gut, Frau Bucher, warum jagen Sie mir einen solchen Schreck ein! Selbstmord hinterlässt immer einen etwas schalen Nachgeschmack, aber eine verirrte Kugel bei einer Aktion gegen Terroristen, das schafft in Deutschland Aufmerksamkeit, und dazu der Van-Gogh-Bezug, der Zufall, dass dies alles in diesem kleinen Ort geschieht, und die Ähnlichkeit ihrer Schicksale, zwei von der Öffentlichkeit zu ihren Lebzeiten verkannte Genies. Also ich glaube, damit lässt sich sogar noch ein Gang zulegen. Wir rechnen mit Ihnen für die Termine, nach der Veröffentlichung gibt es nur ein kurzes Zeitfenster, in dem der Markt über Erfolg oder Untergang eines Buches entscheidet. Sie können bei der Lesereise mit unserer vollen Unterstützung rechnen. Und bitte, die Manuskripte und Unterlagen nicht vergessen!«
»Ein Barrakuda, dieser Verleger!«, Sabine schüttelt sich.
Peter legt seinen Arm um sie auf dem Weg zum Van-Gogh-Haus und drückt sie an sich.
Sie blickt lächelnd zu ihm. Sie hat sich ihm nie so nahe gefühlt.
Die Gäste haben das Restaurant im Van-Gogh-Haus verlassen. Gérard Dechaize unterhält sich an der Theke mit einer dunkelhaarigen Frau. Sie hat ihnen den Rücken zugewandt, aber Sabine weiß sofort, dass es Ziba ist.
Gérard macht die Frau auf sie aufmerksam. Sie dreht sich zu ihnen um und blickt Sabine an. Kein Wort, nur dieser Blick. Fragende grüne Augen. Sabine ist sich nicht sicher, ob sie zu ihr hinübergehen soll. Sie spürt, dass ihr Herz schneller schlägt. Zibas Augen sind weich und sanft, aber sie wirkt niedergeschlagen und verstört. Sie muss geweint haben, in ihrem Blick liegt Trauer, und doch ein Stolz in ihrer aufrechten Haltung.
Schließlich, was wie eine Ewigkeit erscheint, kommt sie auf Sabine zu und umarmt sie, in einer wie selbstverständlichen Verbundenheit. Sabine atmet Zibas blumiges Parfum, spürt ihre Wärme, das Zittern ihres Körpers. Als stünde die Zeit still.
Sabine hat nie um ihren Onkel
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