Hotel
um das Hotel zu kämpfen? Warum nicht aufgeben, verkaufen? Curtis O’Keefe würde ihm einen fairen Preis bieten. Der O’Keefe-Konzern war dafür bekannt, und Trent selbst würde gut dabei wegkommen. Nachdem er die fällige Hypothek zurückgezahlt und die kleineren Aktionäre abgefunden hatte, würde ihm genügend Geld übrigbleiben, um sich für den Rest seines Lebens so einzurichten, wie es ihm beliebte.
Kapitulation: Vielleicht war das die Lösung. Kapitulation vor den geänderten Zeiten. Ein Hotel war schließlich doch nur so und so viele Backsteine und Mörtel. Er hatte versucht, mehr daraus zu machen, war aber am Ende gescheitert. Warum also nicht aufgeben?
Und doch … falls er sich dazu entschloß, was blieb ihm dann eigentlich noch?
Nichts. Ihm blieben nicht einmal die Geister, die durch diese Räume wandelten. Er blieb nachdenklich am Fenster stehen, mit seinen Blicken die Stadt liebkosend, die sich vor ihm ausbreitete. Auch sie hatte Umwälzungen erlebt, war französisch, spanisch und amerikanisch gewesen und hatte sich dennoch irgendwie immer ihr eigenes Gesicht bewahrt – ihre einmalige Individualität in einer Epoche der Gleichmacherei.
Nein! Er würde nicht verkaufen. Noch nicht. Solange Hoffnung bestand, würde er aushalten. Er hatte noch vier Tage, um das Geld für die Hypothek irgendwo aufzutreiben, und abgesehen davon waren die gegenwärtigen Verluste eine vorübergehende Sache. Bald würde sich das Blatt wenden und das St. Gregory würde wieder zahlungsfähig werden und unabhängig bleiben.
Von seiner Zuversicht erfüllt, schritt er quer durch den Raum zum gegenüberliegenden Fenster. Seine Augen erhaschten hoch oben am Himmel das Aufleuchten eines Flugzeuges, das von Norden kam. Es war eine Düsenmaschine, die an Höhe verlor und zur Landung auf dem Moisant-Flughafen ansetzte. Er fragte sich, ob sie Curtis O’Keefe an Bord hatte.
3
Als Christine Francis ihn kurz nach halb zehn aufspürte, stand Sam Jakubiec, der untersetzte Kreditmanager, ein Mann mit beginnender Glatze, im hinteren Teil des Empfangs und kontrollierte, wie jeden Tag, die Konten der Hotelgäste. Seine hastigen, nervösen Bewegungen hatten schon manche Leute zu der irrigen Ansicht verführt, daß er bei seiner Arbeit nicht allzu gründlich sei. In Wirklichkeit jedoch gab es fast nichts, was dem scharfen, von einem glänzenden Gedächtnis unterstützten Verstand des Kreditmanagers entging, eine Tatsache, die das Hotel vor faulen Kunden bewahrt und ihm den Verlust von Tausenden von Dollar erspart hatte.
Seine Finger tanzten über den Buchungsautomaten, während er durch die dicken Brillengläser nach Name und Zimmernummer spähte, die einzelnen Rechnungsposten überprüfte und sich dann und wann auf einem Block Notizen machte. Ohne innezuhalten, blickte er kurz hoch und gleich wieder auf seine Arbeit. »In ein paar Minuten bin ich fertig, Miss Francis.«
»Ich kann warten. Irgendwas Interessantes heute morgen?« Jakubiec nickte. »Einiges.«
»Zum Beispiel?«
Er machte sich wieder eine Notiz. »Zimmer 512, H. Baker. Traf um acht Uhr zehn ein, bestellte um acht Uhr zwanzig eine Flasche Whisky und ließ sie auf die Rechnung setzen.«
»Vielleicht putzt er sich die Zähne damit.«
Mit vorgebeugtem Kopf nickte Jakubiec. »Vielleicht.«
Es war jedoch wesentlich wahrscheinlicher, dachte Christine, daß H. Baker in der Nummer 512 ein Nassauer war. Jeder Gast, der gleich nach der Ankunft eine Flasche Alkohol bestellte, erregte das Mißtrauen des Kreditmanagers. Die meisten Neuankömmlinge, die – nach einer Reise oder einem anstrengenden Tag – rasch etwas trinken wollten, ließen sich ein Mixgetränk von der Bar heraufschicken. Leute, die gleich ganze Flaschen bestellten, waren oft auf einer Sauftour und hatten vielleicht nicht die Absicht zu zahlen oder konnten es nicht.
Christine wußte auch, was als nächstes folgen würde. Jakubiec würde eins der Zimmermädchen bitten, unter einem Vorwand in die Nummer 512 zu gehen und den Gast und sein Gepäck in Augenschein zu nehmen. Zimmermädchen wußten, wonach sie Ausschau halten mußten. Sie hatten festzustellen, ob der Gast über vernünftige Gepäckstücke und gute Bekleidung verfügte, und war beides vorhanden, dann würde sich der Kreditmanager vermutlich zunächst damit begnügen, das Konto des Gastes im Auge zu behalten. Manchmal mieteten sich solide achtbare Bürger in einem Hotel ein, um sich in aller Ruhe betrinken zu können, und solange sie zahlungsfähig
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