Hotel
weggeschickt.«
»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.« Mit einer bei seiner Korpulenz erstaunlichen Beweglichkeit strich der fette Mann durch die Suite, inspizierte die Zimmer, sah hinter die Türen. Offenbar war er über die Raumeinteilung genau im Bilde. Nachdem er einen Blick in den Hotelkorridor geworfen hatte, kehrte er, anscheinend befriedigt, in den Salon zurück.
Die Herzogin hatte sich inzwischen auf einen Stuhl gesetzt. Ogilvie blieb stehen.
»Also«, sagte er, »ihr zwei seid in den Unfall verwickelt.«
Sie sah im gerade in die Augen. »Wovon reden Sie eigentlich?«
»Lassen Sie die Mätzchen, Lady. Die Sache ist kein Spaß.« Er holte eine neue Zigarre hervor und biß das eine Ende ab. »Sie haben die Zeitungen gelesen. Auch im Radio wurde eine Menge darüber gebracht.«
Im blassen Gesicht der Herzogin zeichneten sich zwei rote Flecke ab. »Was Sie da behaupten, ist die dümmste, abscheulichste –«
»Ich hab’ Ihnen gesagt, Sie sollen das lassen!« stieß er hervor, jedes Wort einzeln ausspuckend; seine katzenfreundliche Sanftmut war verlogen. Ohne die Herzogin zu beachten, fuchtelte Ogilvie mit der unangezündeten Zigarre herum. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Lady! Die ganze Stadt ist aus dem Häuschen – Polente, Bürgermeister und die gesamte Bevölkerung. Wenn sie herauskriegen, wer den Unfall gestern nacht verschuldet hat, zuerst das Kind und die Mutter umgebracht und sich danach aus dem Staub gemacht hat, dann schnappen sie sich ihn, egal, wer er ist oder ob er einen extrafeinen Titel hat. Na, und ich weiß, was ich weiß, und falls ich täte, was ich von Rechts wegen tun müßte, dann würde Ihnen die Polente so rasch auf die Bude rücken, daß es staubt. Aber ich wollte fair sein und zu Ihnen kommen, damit Sie mir Ihre Version von der Geschichte erzählen können.« Die Schweinsäuglein zwinkerten und wurden dann hart. »Wenn’s Ihnen auf die andere Art lieber ist, brauchen Sie’s bloß zu sagen.«
Die Herzogin von Croydon, von der vererbten Arroganz mehrerer Jahrhunderte geprägt, gab sich nicht so schnell geschlagen. Sie sprang auf und bot empört und mit blitzenden graugrünen Augen dem fetten, plumpen Menschen Trotz. »Sie unverschämter Lump! Was unterstehen Sie sich!« Ihr Ton hätte jeden, der sie kannte, niedergeschmettert.
Auch Ogilvies Selbstvertrauen geriet einen Moment lang ins Wanken. Aber der Herzog schaltete sich ein. »Ich fürchte, es hat keinen Zweck, altes Mädchen, obwohl’s den Versuch wert war«, sagte er und wandte sich dann an den Detektiv. »Was Sie uns vorwerfen, trifft zu. Ich bin schuld daran. Ich steuerte den Wagen und tötete das kleine Mädchen.«
»Das klingt schon besser.« Ogilvie zündete sich seine Zigarre an. »Jetzt kommen wir endlich vom Fleck.«
Müde und in der Haltung einer Besiegten sank die Herzogin von Croydon auf den Stuhl zurück. Sie faltete die Hände, um ihr Zittern zu verbergen, und fragte: »Was wissen Sie?«
»Okay, ich will’s Ihnen sagen.« Der Hoteldetektiv ließ sich Zeit, paffte gleichmütig eine blaue Rauchwolke in die Luft und beäugte dabei ironisch die Herzogin, als wollte er ihren Einspruch herausfordern. Aber bis auf ein angewidertes Naserümpfen enthielt sie sich jeden Kommentars.
Ogilvie zeigte auf den Herzog. »Gestern ziemlich früh am Abend gingen Sie zu ›Lindy’s Place‹ in Irish Bayou. Sie fuhren in Ihrem noblen Jaguar und hatten ‘ne Dame bei sich. Ich schätze wenigstens, man könnte sie so nennen, wenn man’s nicht zu genau nimmt.«
Als Ogilvie grinsend zur Herzogin hinüberblickte, sagte der Herzog scharf: »Los, die Details können Sie sich sparen!«
»Also«, das fette selbstgefällige Gesicht wandte sich wieder dem Herzog zu, »wie ich gehört hab’, gewannen Sie einhundert Lappen beim Spiel und verloren sie dann wieder an der Bar. Sie hatten gerade die Hälfte vom zweiten Hunderter auf den Kopf gehauen – mit einer wirklich flotten Gesellschaft –, da platzte Ihre Frau mit einem Taxi dazwischen.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Tjah, sehen Sie, Herzog – ich bin schon seit einer Ewigkeit hier in der Stadt und im Hotel. Ich hab’ überall Freunde. Mal erweis’ ich ihnen einen Gefallen und ein andermal sie mir, und so bin ich immer auf dem laufenden. Wenn die Leute, die hier im Hotel wohnen, was anstellen, erfahr’ ich’s meistens. Im allgemeinen ahnen sie gar nicht, daß ich was weiß; sie kennen mich nicht mal. Sie bilden sich ein, ihre kleinen Geheimnisse
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