Hotel
sich jeden Kommentars.
Bei der Post war diesmal noch ein Brief, den Peter vordringlich beantwortete. Er kam von einem Mann aus New Orleans, dessen Frau vor einigen Wochen an einem privaten Hochzeitsempfang im Hotel teilgenommen hatte. Dabei hatte sie ihre Nerzjacke zu den Mänteln der anderen Gäste auf einen Flügel gelegt. Später entdeckte sie in dem kostbaren Stück ein Loch, das von einer Zigarette stammte. Die Reparatur kostete hundert Dollar. Der Ehemann versuchte den Betrag beim Hotel einzutreiben, und sein letzter Brief enthielt eine massive Prozeßandrohung.
Peters Antwort war höflich, aber bestimmt. Er wies noch einmal darauf hin, daß sich im Hotel Garderobenablagen befanden, von denen die Frau des Briefschreibers jedoch keinen Gebrauch gemacht hatte. Wäre das der Fall gewesen, hätte das Hotel einen Ersatzanspruch in Erwägung gezogen. So wie die Dinge lagen, war das Hotel für den Schaden nicht verantwortlich.
Vermutlich handelte es sich bei dem Brief des Ehemannes nur um einen Einschüchterungsversuch, der sich nicht unbedingt zu einer Klage auswachsen mußte, obwohl man das nie im voraus wissen konnte. Es war schon zu vielen Prozessen aus ähnlich nichtigen Gründen gekommen. Im allgemeinen wiesen die Gerichte solche Klagen ab, aber sie waren wegen des Aufwandes von Zeit und Energie, den sie forderten, ein Ärgernis. Manchmal hatte es fast den Anschein, dachte Peter, als betrachte die Öffentlichkeit ein Hotel als bequeme Milchkuh mit einem strotzenden Euter.
Er hatte sich einen neuen Brief herausgegriffen, als jemand an die Verbindungstür zum äußeren Büro klopfte. Er sah auf in der Erwartung, Christine zu erblicken.
»Ich bin’s bloß«, sagte Marsha Preyscott. »Es war niemand draußen, deshalb …« Sie erspähte Peter auf seinem schwankenden Sitz. »Um Himmels willen! Sind Sie noch nie umgekippt?«
»Bis jetzt nicht«, erwiderte er – und verlor prompt das Gleichgewicht.
Dem ohrenbetäubenden Krachen folgte ein sekundenlanges, bestürztes Schweigen.
Auf dem Fußboden hinter seinem Schreibtisch liegend, nahm Peter den angerichteten Schaden in Augenschein. Sein linker Knöchel, der beim Sturz gegen das Stuhlbein gestoßen war, schmerzte. Auch sein Hinterkopf tat weh, als er ihn behutsam abtastete; aber zum Glück hatte der Teppich die Wucht des Aufpralls gedämpft. Allerdings hatte auch seine persönliche Würde einen Puff bekommen – das bewiesen ihm Marshas schallendes Gelächter und Floras diskretes Lächeln.
Sie kamen um den Schreibtisch, um ihm auf die Beine zu helfen. Trotz seines Unbehagens empfand er wieder Marshas strahlende, atemberaubende Jugendfrische bewußt. Heute trug sie ein schlichtes blaues Leinenkleid, das ihr halb kindliches, halb frauliches Wesen unterstrich. Ihr schimmerndes langes schwarzes Haar hing ihr, wie am Tag zuvor, auf die Schultern herab.
»Sie sollten mit Netz arbeiten«, sagte Marsha, »wie die Zirkusleute.«
Peter grinste beschämt. »Vielleicht sollte ich mir auch gleich das Kostüm vom dummen August borgen.«
Flora richtete den schweren Drehsessel wieder auf. Als sich Peter mit Hilfe von Marsha und Flora mühselig hoch hievte, kam Christine herein. Sie blieb, ein Papier in der Hand schwenkend, auf der Schwelle stehen. »Störe ich?«
»Nein«, sagte Peter. »Ich … also, ich bin vom Stuhl gefallen.«
Christines Augen schweiften zu dem massiven Drehsessel hinüber, der an seinem alten Platz stand.
»Er kippte nach hinten.«
»Das haben Stühle so an sich, nicht wahr? Immer.« Christine sah Marsha an. Flora hatte sich diskret zurückgezogen.
Peter stellte die beiden einander vor.
»Wie geht es Ihnen, Miss Preyscott?« sagte Christine. »Ich habe von Ihnen gehört.«
Marsha blickte abschätzend von Peter auf Christine. »Wenn man in einem Hotel arbeitet, hört man vermutlich allen möglichen Klatsch, Miss Francis«, antwortete sie kühl. »Sie arbeiten doch hier, nicht wahr?«
»Klatsch habe ich eigentlich nicht gemeint. Aber Sie haben recht, ich arbeite hier. Folglich kann ich jederzeit wiederkommen, wenn es hier nicht mehr so stürmisch zugeht.«
Peter spürte eine spontane Feindseligkeit zwischen Marsha und Christine und fragte sich, was sie verursacht haben könnte.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte Marsha mit einem charmanten Lächeln: »Meinetwegen brauchen Sie nicht zu gehen, Miss Francis. Ich hab’ nur rasch vorbeigeschaut, um Peter an das Dinner heute abend zu erinnern.« Sie sah ihn an. »Sie haben es doch
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