Hotel
nicht vergessen, oder?«
»Nein.« Peter hatte ein hohles Gefühl im Magen. »Nein«, log er, »ich habe es nicht vergessen.«
Ein kurzes Schweigen folgte, das Christine mit der Frage unterbrach: »Heute abend?«
»Ach herrje!« rief Marsha. »Muß er vielleicht arbeiten oder so was?«
Christine schüttelte energisch den Kopf. »Er hat nichts vor. Ich selbst werde dafür sorgen, daß er rechtzeitig wegkommt.«
»Das ist wirklich süß von Ihnen.« Marsha bedachte Christine wieder mit dem charmanten Lächeln. »Also, ich mach’ mich jetzt besser auf die Beine. O ja – um sieben Uhr«, fügte sie zu Peter gewandt hinzu, »und die Adresse ist Prytania Street – das Haus mit den vier großen Säulen. Auf Wiedersehen, Miss Francis.« Sie winkte einen lässigen Gruß, ging hinaus und schloß die Tür.
Mit unschuldsvoller Miene erkundigte sich Christine: »Soll ich die Adresse nicht aufschreiben? … Das Haus mit den vier großen Säulen … damit du’s nicht vergißt?«
Er hob hilflos die Hand. »Ich weiß – wir waren verabredet. Die Sache mit Marsha war mir völlig entfallen. Nach dem gestrigen Abend hab’ ich bloß noch an uns beide gedacht. Und als wir heute morgen miteinander telefonierten, war ich doch ziemlich durcheinander.«
»Das wundert mich nicht«, sagte Christine vergnügt. »Welcher Mann würde nicht durcheinander geraten, wenn er so umschwärmt wird.«
Sie hatte beschlossen – obwohl es sie einige Mühe kostete –, die Sache leichtzunehmen und, wenn nötig, Verständnis zu zeigen. Sie sagte sich, daß die gestrige Nacht ihr noch kein festes Anrecht auf Peters Zeit gab und daß seine Erklärung vermutlich stimmte. »Hoffentlich hast du einen angenehmen Abend«, fügte sie hinzu.
Er bewegte sich unruhig in seinem Sessel. »Marsha ist noch ein Kind.«
Alles hatte seine Grenzen, fand Christine, auch Geduld und Verständnis. Ihre Augen forschten in seinem Gesicht. »Ich nehme an, du glaubst das wirklich. Als Frau weiß ich das besser, und ich kann dir nur sagen, daß die kleine Miss Preyscott einem Kind so ähnlich ist wie eine Katze einem Tiger. Aber vermutlich macht es einem Mann Spaß, aufgefressen zu werden.«
»Du siehst das Ganze völlig falsch.« Er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Die Sache ist einfach die, daß sie vor zwei Nächten eine scheußliche Erfahrung machte und …«
»Einen Freund brauchte.«
»Richtig.«
»Und da warst du zur Stelle!«
»Wir kamen ins Gespräch. Und ich sagte, ich würde heute abend zu ihr zu einer Dinnerparty kommen. Es werden noch andere Gäste da sein.«
»Bist du sicher?«
Bevor er antworten konnte, schrillte das Telefon. Verärgert griff er nach dem Hörer.
»Mr. McDermott«, sagte eine erregte Stimme, »hier unten gib’s Ärger, und der stellvertretende Manager sagt, Sie möchten bitte so schnell wie möglich in die Halle kommen.«
Als Peter den Hörer auflegte, war Christine nicht mehr da.
5
Es gab Zwangslagen, von denen man immer hoffte, sie würden einem erspart bleiben, dachte Peter McDermott grimmig. Kam es dann doch so weit, dann war es, als wäre ein lange gefürchteter Alptraum Wirklichkeit geworden. Schlimmer noch, Seelenfrieden, Überzeugungen, Integrität und Verpflichtungen gingen dabei in die Brüche.
In wenigen Augenblicken hatte er die Situation in der Halle überschaut, obwohl die Auseinandersetzung noch im Gange war. Der würdevolle Neger mittleren Alters, der ruhig neben dem Schreibtisch in der Nische saß, der empörte Dr. Ingram, hochgeschätzter Präsident des Zahnärztekongresses, und der unverhohlene Gleichmut des stellvertretenden Managers, nun, da die Verantwortung von seinen Schultern genommen war – all das sagte Peter genug.
Es war nur zu deutlich, daß die Krise, die sich so plötzlich angebahnt hatte, eine Explosion auslösen konnte, falls man ihr nicht geschickt begegnete.
Peter gewahrte zwei Zuschauer: das vertraute, so oft in den Zeitungen abgebildete Gesicht von Curtis O’Keefe, der die Szene aus diskreter Entfernung gespannt beobachtete, und einen jugendlichen, breitschultrigen Mann mit dicker Brille, grauen Flanellhosen und Tweedjacke. Er stand neben einem vielgereisten Koffer und schien sich oberflächlich in der Halle umzusehen, dennoch entging ihm nichts von dem Drama, das sich neben dem Schreibtisch abspielte.
Der Präsident des Zahnärztekongresses richtete sich zu seiner vollen Größe von einsvierundsechzig auf, sein rundes rosiges Gesicht unter dem widerspenstigen weißen
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